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Popkultur unter der Lupe

Donna Tartt als Inbegriff von Buchpassion

Zur Blogparade von #Buchpassion möchte ich euch erklären, warum Donna Tartt meine Lieblingsautorin ist. Ihre Bücher sind klug, spannend und trotz ihrer Verehrung für Klassiker wie Dickens höchst modern. Ich habe Donna Tartt sogar einmal live gesehen – für mich ein aufregendes wie respekteinflößendes Erlebnis.

Bei der diesjährigen Blogparade zu #Buchpassion hat mir Janine von „Kapri-ziös“ eine Steilvorlage geliefert. Die Teilnehmer sollen über ihren Lieblingsautor oder ihre Lieblingsautorin schreiben. Für mich ist das, wie schon in meinem Artikel zur Blogparade „Was liest du?“ häufig erwähnt, die Amerikanerin Donna Tartt. Mit ihr verbinde ich all das, was gute Lektüre ausmacht, Spannung, die dich Nächte durchlesen lässt, bissige Dialoge und lustige Situationskomik, und gleichzeitig wieder zutiefst melancholische Passagen, die eine bleierne und gleichzeitig bittersüße Schwere hinterlassen. Aber das Beste ist: Donna Tartt ist einfach unfassbar klug und gebildet.

Ein dichtes Netzwerk an literarischen Verweisen bei Donna Tartt

Daher sind ihre Romane nicht nur etwas für den schnellen Lesegenuss, sondern auch intellektuelle Nahrung. Das macht sich nicht nur in Settings wie altehrwürdigen Colleges oder in Professorenfiguren bemerkbar. Donna Tartt verwebt in ihren Texten eine Vielzahl philosophischer und literarischer Verweise und Anspielungen (Platon, Aischylos, Dickens und Faulkner, um nur einige zu nennen), zugleich kommen in ihren Geschichten aber auch alte schrullige Tanten, Drogendealer und Waisenkinder vor. Es geht niemals um hohle Zurschaustellung von Belesenheit, um name dropping. Ihre Geschichten übernehmen stattdessen traditionelle Themen wie den dionysischen Wahnsinn und kreieren eine völlig moderne Handlung daraus. Ebenso ist die Geschichte vom Waisenkind Theo Decker (The Goldfinch) thematisch nichts Neues – die Umsetzung des Motivs ist es. Daher kann ich mich voll und ganz dem Urteil der ZEIT online anschließen, wenn sie über Donna Tartt schreibt: „Tartt ist auf altmodische Art höchst modern.

Die Meisterin der Figurenzeichnung

Ihre überaus kluge Erzählkunst manifestiert sich auch in ihrer Figurenzeichnung. Ihre Charaktere werden akribisch entwickelt und sind unverwechselbar, selbst wenn sie sich zu einem Typus zählen ließen – wie zum Beispiel den amerikanischen Mittelschichts-Bubi Bunny Corcoran. Tartt beschreibt ihre Charaktere so plastisch, dass ich nach der Lektüre erwarte, dem arroganten Henry oder der altklugen Harriet beim Einkaufen zu begegnen. Details spielen immer eine sehr wichtige Rolle und ich kann mir vorstellen, dass das für viele Leser auch ab und zu ermüdend werden kann. Ich aber genieße es über alle Maßen. Durch Tartts Detailverliebtheit verliert man sich regelrecht in ihren fiktiven Welten.

Donna Tartt The Secret History

Mein Lieblingsroman von Donna Tartt: The Secret History (Die geheime Geschichte)

Ihren Debütroman The Secret History habe ich im Alter von 16 Jahren zum ersten Mal gelesen (damals noch auf Deutsch) und nach ca. 100 Seiten wieder weggelegt. Ich habe den philosophischen Diskurs, um den es am Anfang kurz geht, nicht verstanden (die Hauptfiguren sind alle Studenten der griechischen Philologie) und war wohl auch insgesamt überfordert von ihrem Schreibstil. Er ist, wie gesagt, sehr dicht und erfordert zum Teil auch viel Konzentration, weil der Spannungsbogen weniger im Vordergrund steht als die Atmosphäre. Die Charaktere haben mir damals aber doch so gut gefallen, dass ich weitergelesen habe – bis heute habe ich The Secret History bestimmt sieben, acht Mal verschlungen. Und ich glaube, ich hatte im Laufe der Zeit immer wieder einen anderen Blickwinkel auf den Text. Einerseits, weil ich literarische Anspielungen besser verstanden habe, andererseits weil ich reifer wurde und mir plötzlich ganz andere Figuren viel besser gefielen als noch ein paar Jahre zuvor. Man kann sagen, ich bin mit The Secret History erwachsen geworden.

Zentrale Themen bei Donna Tartt

Ich könnte die Themen von Donna Tartt so zusammenfassen: Es geht um Entwicklungsgeschichten, ums Erwachsenwerden. Es geht um den Schmerz über die verlorene Unschuld der Kindheit, um gebrochene Charaktere, aber auch um positive Entwicklungen und Selbsterkenntnis. Und das alles wird in einem konzentrierten, plastischen Erzählstil und auch oft in seltsamen, grotesken Settings in Szene gesetzt. Ich finde es einfach herrlich.

Ein Leben als Buchpassion

Eigentlich ist Donna Tartts Person an sich für mich eine Form von Buchpassion. Sie hat sich völlig der Schriftstellerei verschrieben, lebt allein und braucht immer rund zehn Jahre, um ein Buch zu beenden (bisher hat sie drei Romane veröffentlicht). Ihr Eremitendasein und die völlige Hingabe ans Schreiben finde ich faszinierend. Sie wurde wohl früher einmal von ihrem Verlag gedrängt, schneller zu schreiben, aber nach eigener Aussage hat ihr das Arbeiten so keinen Spaß gemacht. Sie braucht ihren eigenen Rhythmus, um an jedem Detail feilen zu können und den Plot wachsen zu lassen.

Ein Autoren-Event mit Donna Tartt

Im November 2013 habe ich Donna Tartt auf Lesereise für ihren aktuellsten Roman The Goldfinch in Cambridge erlebt (das war, kurz bevor sie den Pulitzerpreis für diesen Roman bekam). Sie wurde auf der Bühne interviewt, danach folgte eine kurze Lesung von ihr und im Anschluss die Signierstunde. Mann, war ich aufgeregt! So klein und zerbrechlich Donna Tartt aussieht (sie ist nur 1,52 m groß), sie live zu erleben, war für mich ziemlich respekteinflößend und auch ein bisschen unheimlich. Dass diese kleine Person hochbegabt ist, merkt man sofort. Sie hat im Interview immer äußerst entschieden und durchdacht ihre Gedanken dargelegt, war dabei nicht arrogant, aber doch unnahbar und hat gleichzeitig mit diesem charmanten Südstaaten-Akzent gesprochen (wenn ihr Vom Winde verweht mal im Original gesehen habt, wisst ihr, was ich meine). Bei der Signierstunde habe ich ihr dann (vor Aufregung mit furchtbar deutschem Akzent) gesagt, dass ich ihre Bücher lese, seitdem ich 16 bin und dass ich mich furchtbar freue, sie live zu sehen. Daraufhin hat sie mich mit ihren hellgrünen, beinahe stechenden Augen direkt angesehen, mir die Hand gegeben und gesagt: „That’s really nice of you to say so.“ (oder etwas in der Richtung, wie gesagt, ich war sehr aufgeregt). Ich (und bestimmt jeder andere Fan damals) hat sofort gemerkt, was für eine großartige, unabhängige Frau diese Künstlerin ist.

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13 Kommentare

  1. Nadine 1. Oktober 2017

    Liebe Sabine,

    ich liebe deinen Blog und schaue unglaublich gerne bei dir rein. Diesen Beitrag hast du wirklich wundervoll geschrieben und man liest richtig die Begeisterung heraus. Den Distelfink möchte ich nach der geheimen Geschichte auch noch gerne lesen. Aber warum haben sie denn die deutsche Übersetzung gekürzt :/ davon wusste ich bisher nichts.

    Liebste Grüße und einen wunderbaren Restsonntag
    Nadine

    Antworten
    1. Sabine 1. Oktober 2017

      Vielen Dank fürs Kompliment, das freut mich! 🙂 Das mit der Kürzung fiel mir auf, als ich zum ersten Mal das englische Original las und da natüüürlich die deutsche Übersetzung schon auswendig kannte. Und plötzlich kam da eine Passage vor, die mir völlig neu war! Frechheit! Ich weiß nicht, was den deutschen Verlag damals geritten hat. War ihnen wohl zu langatmig. Ein Sakrileg ist das.

      Antworten
  2. Rosa 1. Oktober 2017

    Liebe Sabine,

    ein toller Beitrag zur #buchpassion. Deine Begeisterung für deine Lieblingsschriftstellerin ist ansteckend!!!

    Von Donna Tartt kenne ich nur einen Roman und zwar „The Secret History“, der mich total begeistert hat.

    „Der Distelfink“ hat mich nicht wirklich gepackt, ich habe das Buch nicht zuende gelesen, aber vielleicht sollte ich einen zweiten Anlauf wagen :).

    Liebe Grüße

    Rosa

    Antworten
    1. Sabine 1. Oktober 2017

      Unbedingt! Wo hat’s bei gehakt? Es wird nach der Hälfte glaube ich etwas langatmiger, aber das Zu-Ende-lesen lohnt sich trotzden! 🙂

      Antworten
  3. Janna | KeJas-BlogBuch 1. Oktober 2017

    Gerne gelesen <3 Hach du hast einfach eh immer feine Beiträge, wünsch dir noch `nen mukkeligen Sonntag und fühl deinen Beitrag mit diesem Kommi als geliked 😉

    Antworten
    1. Sabine 1. Oktober 2017

      Vielen Dank, Janna! Dir auch noch einen schönen Sonntag! 🙂

      Antworten
  4. Janine (@Kapri-zioes) 30. September 2017

    Liebe Sabine,

    ich habe noch nie ein Buch von Donna Tartt gelesen. Aber gerade jetzt nachdem ich deine Zeilen gelesen habe, möchte ich am liebsten in die Buchhandlung rennen und mir eines ihrer Bücher kaufen. Mit welchem sollte man deiner Meinung nach einsteigen in ihre Welt?

    Danke für deinen Beitrag zu #buchpassion!
    Janine

    Antworten
    1. Sabine 30. September 2017

      Hi Janine,
      cool, ich freu mich, wenn ich dich überzeugen konnte! Ich würde sie auf jeden Fall chronologisch lesen: The Secret History, The Little Friend und dann The Goldfinch. Da sieht man die Entwicklung ihres Schreibstils. Und ich würde sie auf jeden Fall auf Englisch lesen, aber da bin ich auch ein bisschen snobistisch. The Secret History ist auf Deutsch ein bisschen gekürzt, total schade.
      LG, Sabine

      Antworten

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