LOADING

Type to search

Der Ödipuskomplex lässt grüßen und warum gerade weibliche Entwicklungsgeschichten so interessant sind

In dieser Serie möchte ich mich mit einem meiner Lieblings-Genres befassen, der „Coming of Age“-Geschichte. Nein, hier soll es nicht nur um Jugendliteratur gehen. Entwicklungsgeschichten junger Helden oder Heldinnen werden in allen Literaturgattungen erzählt und ziehen sich durch zweihundert Jahre „hohe“ sowie Unterhaltungs-Literatur. Denkt an Emma Woodhouse aus dem Austen-Roman „Emma“ oder an Holden Caulfield aus „The Catcher in the Rye“ – zwei sehr unterschiedliche Texte, die sich aber beide mit der Thematik des Erwachsenwerdens befassen. Deshalb möchte ich den Begriff „Coming of Age“ etwas aufweichen und alle Texte zu diesem Genre zählen, die sich irgendwie mit der psychologischen Entwicklung einer heranwachsenden Figur beschäftigen. Mein Fokus soll dabei auf weiblichen „Coming of Age“-Geschichten liegen, weil ich sie für die interessanteren Texte halte.

Männliches „Coming of Age“: Der ewige Kampf mit dem Vater

Sigmund Freud und Cover Mockingjay

© pixabay/Oetinger Verlag

Warum? Ich verrate es euch: Das Bürgertum ist schuld. Eine nicht geringe Schuld trifft auch Sigmund Freud. Meiner Meinung nach beschäftigen sich die meisten „Coming of Age“-Geschichten mit männlichen Protagonisten nämlich hauptsächlich mit dem Ödipuskomplex. Versteht mich nicht falsch, Vater-Sohn-Konflikte können sehr spannend sein. Das Problem ist, dass sie die Beteiligung von Frauen in der Handlung meist auf Mutter- oder Geliebten-Rollen reduzieren. Und das als Leserin (oder auch Kino-Gängerin) immer wieder vorgesetzt zu bekommen, ist ermüdend. Die klassische Grundkonstellation: Sohn bricht aus der Familie aus. Sohn hasst Vater, denn der hat nie die Leistungen des Sohnes anerkannt. Vater hasst Sohn, denn die Mutter hat sich ja nur noch um den Sprössling gekümmert. Freundinnen sind nur billiger Ersatz für die uneingeschränkte Liebe der Mutter.

Ich weiß, ich überspitze die Thematik jetzt etwas, aber im Grunde genommen läuft es immer auf diese Grund-Konflikte hinaus. Schon Werther verliebte sich in Charlotte, weil er in ihr einen Mutterersatz sah. (Ich denke an die berühmte Szene mit dem Brot: Werther begegnet Charlotte zum ersten Mal, als sie sich aufopferungsvoll um ihre jüngeren Geschwister kümmert – und zack er verliebt sich in sie. Das ist doch bezeichnend.) Gregor Samsa aus Kafkas „Verwandlung“ kämpft gegen die schreckliche Unterdrückung durch den Vater, und vom „Hamlet“ muss ich gar nicht erst anfangen. Auch in der modernen Popkultur arbeiten sich die Söhne am Vater ab, man denke nur an das „Star Wars“-Epos.

„Coming of Age“ bei Frauenfiguren

Während also die Söhne ihren Konflikt oft auf das Familiäre beschränken, nehmen die Töchter den Kampf gegen die gesellschaftliche Ordnung auf. Frauenfiguren mussten im Laufe der Literaturgeschichte viel öfter ihr gesamtes Weltbild in Frage stellen, um sich weiterzuentwickeln. Wie diese „Rebellion“ aussehen kann, möchte ich anhand meiner liebsten „Coming of Age“-Geschichten in den kommenden Posts darstellen. Auch auf die Frage nach runden Männerfiguren werde ich eingehen. Freut euch auf Scarlett, Katniss, Sansa und noch viele weitere Frauenfiguren.