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The Ballad of Songbirds and Snakes: Vergleich von Roman und Film

Der fünfte Film des Franchise, The Ballad of Songbirds and Snakes, ist am 17.11.23 erschienen und damit ist der Hunger-Games-Hype auf allen Ebenen zurück! Eine Entwicklung, über die ich als Fan-Girl nicht glücklicher sein könnte (ich lese die Originaltrilogie etwa einmal im Jahr). Schon der Prequel-Roman zu Bösewicht Snows Vorgeschichte, der 2020 erschien, hat mich auf fast ganzer Ebene abgeholt. Der Grund dafür liegt in der Art und Weise, wie Suzanne Collins ihren Antihelden zeichnet, und wie sie die weibliche Heldin Lucy Gray Baird gegen den jungen Snow antreten lässt.

Ballad of Songbirds and Snakes Buch- und Filmcover

Was ist so spannend an der Vorgeschichte Snows?

The Ballad of Songbirds in Snakes ist das Psychogramm des (Anti-)Helden Coriolanus Snow. Suzanne Collins arbeitet vor allem seine Widersprüchlichkeit heraus. Es gibt Momente im Roman, in denen man ihn anfeuert, aber man erlebt auch, wie er seine moralische Unschuld verliert.

Ich möchte hier vor allem die Figuren im Roman bzw. Film analysieren, gegen Ende gehe ich dann noch spezifisch auf die Unterschiede ein, die von Buch zu Film am auffälligsten waren.

Das Psychogramm eines komplizierten Antihelden

Zum Einstieg im Roman hat Coriolanus Snow Züge von einer „Underdog“-Figur. Er ist streng genommen ein Hochstapler, gehört gar nicht mehr in die dekadente Gesellschaft des Kapitols, kann das nur gut verbergen. Seine ehemals reiche Familie ist durch den Krieg mit den Rebellen verarmt, aber niemand darf das wissen. (Auch der Film setzt das toll um: Die Stadtwohnung der Familie Snow ist in einem verblichenen Art-Déco-Stil eingerichtet. Alles sieht ein wenig schäbig aus, aber man erkennt noch den alten Luxus.) Die Snows halten gerade so die Fassade aufrecht. Coriolanus selbst war natürlich viel zu jung, um aktiv am Krieg teilzunehmen. Er ist zu Beginn der Handlung 18 und eigentlich noch ein vom Krieg gezeichnetes Kind, was sich auch in all seinen Gedanken und Entscheidungen im Roman zeigen wird.

So kann man es ihm zunächst schwer verübeln, dass er seiner Familie wieder zu Wohlstand und Ansehen verhelfen möchte. Schließlich geht es bei den Snows mittlerweile ums nackte Überleben. In der ersten Szene im Buch kocht er Kohl zu einer wässrigen Brühe aus, mehr gibt es in seinem Haushalt nicht zu essen.

Unter welch enormem Druck er steht, zeigt sich besonders (im Roman und im Film), als er versucht, bei offiziellen Anlässen seiner Schule den Schein zu wahren. Niemand darf sehen, dass sein Hemd geflickt ist, dass er zu kleine Schuhe trägt, weil er sich keine neuen Schuhe leisten kann. Außerdem hängen noch seine Cousine Tigris und seine gebrechliche Großmutter von ihm ab. Wenn er kein Preisgeld als siegreicher Mentor gewinnt, kann er nicht studieren. Und wenn er nicht studieren kann, steht die Familie Snow endgültig vor dem Ruin. Und genau das ist es, was seine Figur initial spannend macht: seine Getriebenheit.

Die Mentorenrolle bei den Hungerspielen und ein potentielles Preisgeld stellen für Coriolanus den Ausweg dar.  

Ist Coriolanus doch kein Opfer der Umstände?

Sein Status als leidlich sympathischer Underdog gerät immer stärker ins Wanken, sobald wir mehr von der Gesellschaft im Kapitol erfahren und tiefere Einblicke in Snows Psyche erhalten. Denn natürlich ist Coriolanus in einer unerbittlichen Ideologie aufgewachsen, die die Diktatur des Kapitols über die Distrikte verherrlicht. Die Spiele stellt er als Kind der Herrscherklasse natürlich nicht in Frage. Und selbstverständlich kommt Coriolanus immer noch aus einer privilegierten Familie, auch wenn sie verarmt ist. Das wird später deutlich, als Coriolanus die bitterarmen Menschen in Distrikt 12 verurteilt, „sich gehen zu lassen“. Ohne zu sehen, dass er selbst noch nie obdachlos war und er keiner Gesellschaftsschicht entstammt, die von den Herrschenden unterdrückt wird.

Es entstehen ziemlich schnell Zweifel darüber, wie sehr Coriolanus tatsächlich Opfer der Umstände ist. Doch gerade darüber gelingt es dem Roman, Coriolanus‘ Erzählperspektive so spannend zu gestalten. Wir fiebern mit dem „Underdog“ mit. Wir feuern ihn an, obwohl er immer stärker seine selbstsüchtige Seite zeigt.

Die Hassliebe zum Protagonisten hält uns bei der Stange

Um das Ganze noch komplizierter zu machen, erscheint Coriolanus an vielen Stellen im Roman – und ich betone hier vor allem die Romandarstellung – ziemlich unbedarft, was seine Figur beinahe wieder liebenswert macht. Er unterschätzt die Spielemacherin Dr. Gaul und ihre Manipulationskunst, und er überschätzt sich selbst und seine Geschicklichkeit, bei den Spielen zu betrügen und damit davonzukommen.

Er ist in romantischer Sicht völlig naiv und stolpert mehr oder weniger in seine Gefühle für Lucy Gray hinein – welcher Art diese auch immer sein mögen. Selbst nach den Spielen, in Distrikt 12, ist er z.B. noch von Selbstzweifeln und Schüchternheit geplagt, als er Lucy Gray zum ersten Mal wiedersieht und nicht weiß, wie er sich verhalten soll.

Diese Wesenszüge paart Suzanne Collins dann aber immer wieder mit wenig sympathischen Verhaltensweisen des Helden, sodass man als Leser*in eigentlich gar nicht anders kann, als in einer kontinuierlichen Hassliebe zum Protagonisten auszuharren. Dazu kommt, dass wir nur seine Perspektive präsentiert bekommen und nie wissen, wie viel er über sich verrät und wie viel er gerade selbst nicht von den Geschehnissen um sich herum begreift. So bleiben wir notgedrungen auf der Seite des Helden stecken und fühlen mit seinen Gefühlen mit. Das ist eine „Folter“, die Suzanne Collins geschickt einsetzt, um uns Lesende bei der Stange zu halten.

Endgültig bekommen wir dann das Messer in der Brust herumgedreht, als Coriolanus am Ende sein wahrstes Gesicht zeigt. Er ist nicht nur ehrgeizig und rücksichtslos, sondern bildet eine nahezu menschenverachtende Anspruchshaltung heraus. Er denkt, er hat einen Anspruch darauf, über seinen Mitmenschen zu stehen, weil er eben ein Snow ist. Am Ende des Romans hält er sich für eine „exceptional person. The best and the brightest humanity had to offer.“ So wäre reiner Ehrgeiz bei seiner Figur nicht unsympathisch, aber diese Selbstüberhöhung führt dazu, dass er seinen moralischen Kompass sehr früh komplett verliert und andere Menschen seinem Ehrgeiz opfert.

Lucy Gray: Die Manipulatorin?

Let’s talk about Lucy Gray! Lucy Gray Baird drängt sich, sowohl im Roman als auch im Film, zunächst als komplette Kontrastfigur zu Katniss Everdeen aus der Originaltrilogie auf. Lucy Gray steht als fahrende Sängerin gerne im Mittelpunkt, ist sehr redegewandt und weiß sich zu präsentieren. Sie hat gelernt, ihren Charme einzusetzen, um zu überleben. Alles das kann Katniss nicht.

In einem Fanvideo wird Lucy Gray als „Performer forced to fight” bezeichnet, während Katniss als „Fighter forced to perform“ betitelt wird. Das stimmt meiner Meinung nach vor allem für Katniss. Für Lucy Gray aber IST das Performen ja ihre Art des Kampfes. Sie schaltet ihre Gegner nicht mit Gewalt, sondern mit Tücke aus. Das gilt für den kompletten Plot, erst vergiftet sie ihre Gegner in der Arena, und am Ende kann sie auch Coriolanus mit List austricksen und sich einen Vorsprung bei der Flucht verschaffen. (Sie sorgt dafür, dass er von einer Schlange gebissen wird.)

Lucy Gray bleibt also zunächst allein über ihre Performance- und Verstellungskunst charakterisiert, die sie einzusetzen weiß, um zu überleben. Strategisch denken, Leute von sich einnehmen – in diesen Künsten ist Lucy Gray zu Beginn des Plots Coriolanus überlegen. So scheint sie seine Verzweiflung sofort zu durchschauen, als er sie am Bahnhof abholt – schließlich muss er sie dazu bringen, in den Spielen alles zu geben, damit sie für ihn das Preisgeld gewinnt. (Unbezahlbar gut ist in der Filmadaption Rachel Zeglers halb amüsierter, halb ironischer Gesichtsausdruck, als „Little Coryo“ ihr zur Begrüßung die Rose reicht.) Sie provoziert ihn mit ihrer unbeeindruckten Schlagfertigkeit dazu, sich voll reinzuhängen und sich z.B. in den Transportkäfig der Tribute einzuschleusen. Denn er ahnt, dass er sonst ihren Respekt sofort verliert.

Lucy Gray scheint hier also zu Beginn des Plots sogar die Oberhand zu haben, während der noch relativ naive Held darum kämpft, strategisch mitzuhalten. Klar: Die beiden sind de facto Feinde, auch wenn sie zusammen arbeiten müssen. Jeder will, dass der*die andere ihm*ihr das Überleben sichert. Lucy Gray ist für Coriolanus genauso viel Antagonistin wie er für sie.  

Lucy Gray, Rätsel und Mythos

The Ballad of Songbirds and Snakes ist aus Coriolanus‘ Sicht geschrieben. Daher bleibt Lucy Grays Figur in weiten Teilen ein Rätsel, weil sie eben für den Protagonisten ein Rätsel bleibt. Das wird auch noch von ihrem Broterwerb als fahrende Sängerin unterstrichen. Sie singt zeitlose Balladen und verkörpert eigentlich selbst eine mythische Gestalt aus einem alten Lied. (Lucy Gray ist sogar einer Figur in einer realen Ballade des romantischen Dichters William Wordsworth nachempfunden. Darin geht es um ein kleines Mädchen, das im Schnee verschwindet. Pun intended.) In der Filmadaption wurden alle Gesangsszenen mit neu geschriebenen Songs im Stil des American Folk und Bluegrass (Musikexperten, widersprecht mir bitte!) zum Leben erweckt. Sie unterstreichen die bittere Süße der Liebeshandlung im Plot ganz wunderbar.

Eine voll ausgeformte Figur ist Lucy Gray damit freilich nicht, kann sie auch gar nicht sein, so lange wir sie nur durch die Brille von Coriolanus’ Wünschen und Projektionen sehen. Ihre oft recht typenhafte Darstellung war zusätzlich etwas schade, da sie im Plot augenscheinlich Stellvertreterin der Roma sein soll. Hier wurde ein bisschen zu viel mit Klischees gearbeitet. Ihre farbenfrohe Theatralität (man denke an ihr Regenbogenkleid) bleibt über weite Strecken des Plots ihre Haupteigenschaft.

Ein ergreifender Aspekt ihrer Figur hingegen, der ihr auch wieder etwas Tiefe verleiht, ist ihre traurige, desillusionierte Scharfsicht auf ihre Umwelt. Sie singt selbstgeschriebene Balladen, in denen sie untreue Weggefährten wie ihren Ex-Lover Billy Taupe zur Rechenschaft zieht, oder die Ungerechtigkeit der Spiele anprangert. Diese Liedtexte lassen sie weiser erscheinen, als es ihrem jugendlichen Alter zusteht.

Lucy Gray verkörpert im Plot außerdem das Ursprüngliche, Natürliche, und verschmilzt bei ihrem Verschwinden wieder mit der Natur, was ihren mythischen Charakter noch verstärkt. Ganz im Kontrast zu Coriolanus‘ künstlicher geordneter Welt, die von Lucy Gray bedroht wird.

Die Frage nach der Opfer-Täter-Dynamik in The Ballad of Songbirds and Snakes

Und diesen Bedrohungs-Faktor können wir nie außer Acht lassen. Er gehört der Herrscherklasse an, sie gehört zu den Distrikten und damit zu den Rebellen. Er ist die Ordnung, sie das Chaos. Außerdem bleibt unklar, wie viel Sympathie zu Coriolanus bei Lucy Gray echt ist und was sie heuchelt, damit er ihr hilft, die Spiele zu überstehen. Im Roman schimmert immer wieder durch, dass Lucy Gray es versteht, sich Coriolanus‘ Ehrgeiz zunutze zu machen und ihn mit ein wenig zur Schau gestellter Hilflosigkeit auf ihre Seite zu ziehen. (Wobei unklar bleibt, ob er das realisiert.) Die Erzählinstanz sät so ziemlich geschickt ein leises Misstrauen in ihre Figur. Dann wieder rettet Lucy Gray Coriolanus bei der Bombardierung der Arena das Leben. Ihre Beweggründe dafür bleiben offen. War es Selbsterhaltungstrieb, weil sie Coriolanus als Mentor in den Spielen brauchte? Oder echtes Mitleid?

Bei diesen Fragestellungen dürfen wir aber das Machtgefälle nicht vergessen, dass in dieser Figurendynamik besteht. Auch wenn Coriolanus zum Antihelden taugt, ist es doch eigentlich Lucy Gray, die unser Mitgefühl verdient. Für sie steht ihr Überleben auf dem Spiel. Ihre Hilflosigkeit ist gar nicht vorgetäuscht, vielmehr schafft es Lucy Gray nur ziemlich gut, sie mit ironischem Humor zu überspielen. Für Coriolanus steht hingegen nur der Gesichtsverlust vor der High Society des Kapitols auf dem Spiel. Coriolanus bleibt der wahre Unterdrücker in diesem Figurengefüge.

Lucy Gray ist zum Glück schlau genug, sein wahres Gesicht am Ende des Plots zu erkennen und zu fliehen. Ihr Schicksal bleibt ungewiss, aber ihr Einfluss über ihn bleibt erhalten – auch noch 64 Jahre später, wie wir durch die Originaltrilogie erfahren haben. Dieses Handlungsdetail war wichtig, denn sonst wäre Lucy Grays Figur im Archetyp der „Jungfrau in Nöten“ verharrt.

Enemies to Lovers? Lovers to Enemies? Oder etwas völlig anderes?

Widersprüchlich gestaltet sich auch die Wirkung der zögerlichen Liebesgeschichte, die sich zwischen Coriolanus und Lucy Gray entspinnt. Sie erscheint in vielen Momenten ehrlich und als genau das, was die Figuren an dem Punkt der Handlung brauchen.

Gleichzeitig ist es den Lesenden bzw. Zuschauenden klar, dass diese Lovestory stark von dem Machtgefälle beeinflusst wird, unter dem die Figuren stehen. Deshalb kann man es Lucy Gray kaum verübeln, dass sie sich in den einzigen Menschen (scheinbar) verliebt, der sie vor dem Tod retten kann. Und Coriolanus scheint mit seiner Teilnahme an den Spielen kurzzeitig ein moralisches Gewissen zu entwickeln, das er dann in Gestalt von Lucy Gray am Leben erhalten möchte. Er verliebt sich in sie, weil sie ihm hilft, obwohl doch sie die ist, die eigentlich Hilfe braucht – und weil sie nicht auf den Mund gefallen ist. Sie sind sich in ihrer Unverfrorenheit oft ähnlich. Eine psychologische Interpretation des Helden (die ich im Lichte von Snows späterer Entwicklung für nicht allzu weit hergeholt halte) wäre auch, dass Coriolanus sich in Lucy Gray verliebt, weil sie von ihm abhängig ist. Er genießt es, für sie den strahlenden Helden zu spielen.

Ist die „situationship“ schuld an Coriolanus‘ moralischem Verfall?

Viele ironische Posts und Memes auf den sozialen Medien nehmen Coriolanus‘ überzogene Reaktion auf seine gescheiterte Liebe zu Lucy Gray aufs Korn. So nach dem Motto: Da hat er einmal als Teenager Liebeskummer, und schon lässt er es alle Menschen für den Rest seines Lebens büßen.

Diese Analysen sind natürlich nicht ganz ernst gemeint, trotzdem ist es interessant, über diesen Aspekt nachzudenken. War die gescheiterte Beziehung zu Lucy Gray Schuld an seinem moralischen Verfall? Ich würde das verneinen. Meiner Meinung nach kippt Coriolanus schon früher um. Nämlich als sich sein Konflikt mit seinem Freund Sejanus zuspitzt, der die Rebellen hartnäckig verteidigt. Der Knackpunkt ist Coriolanus‘ Verrat an Sejanus. Danach ist die Beziehung zu Lucy Gray nur noch ein Nachgedanke bzw. ein weiteres Symptom seines moralischen Absturzes. Besonders gruselig war, zu lesen, wie Coriolanus‘ Gedanken über Lucy Gray gegen Ende im Buch immer besitzergreifender und toxischer wurden. Eine subtile, aber unaufhaltsame Entwicklung. Coriolanus‘ wahre Gesinnung ist also schon überdeutlich und die Zweifel an der Zukunft der Love Story sind längst gesät, als es zum Bruch der beiden kommt.

Natürlich ist Lucy Gray dennoch für den Rest seines Lebens Snows Achillesferse, weil sie für alles steht, was er fürchtet und unterdrücken möchte. Aber der Absturz ins „Böse“ erfolgt schon vorher.

Die auffälligsten Unterschiede von der Filmadaption zum Roman

Erstmal vorweg: Ich halte den Film für ziemlich gelungen und alle Schauspieler*innen machen einen tollen Job, vor allem Tom Blyth und Rachel Zegler. Der Film musste natürlich im Gegensatz zur Buchvorlage Kürzungen im Plot vornehmen – und das war auch gut so, denn gerade in der ersten Hälfte hat der Roman ein paar Längen. So hat der Film aber auch einige Elemente gestrichen, die dem Protagonisten mehr Tiefe verliehen hätten. Ich habe im Film vor allem seine anfängliche Unbedarftheit vermisst, die im Roman ja so schön mit seiner zunehmenden Rücksichtslosigkeit in Kontrast gesetzt wird.

Fehlende Widersprüchlichkeit

Natürlich liegt das z.T. am Medienwechsel – der Roman wird aus der Innenperspektive des Helden erzählt, es ist schwer, das auf die Leinwand zu transferieren, wo wir ja im Normalfall keine „Stimme aus dem Off“ haben, die uns die Gedanken des Helden erklärt. Coriolanus‘ Figur bekommt im Roman aber auch durch die Interaktion mit Figuren Tiefe, die im Film gestrichen wurden, z.B. Sejanus‘ Mutter „Ma“ Plinth, oder die stark reduziert wurden, wie Tigris.

Die gutherzige, naive Ma Plinth nimmt Coriolanus im Roman unter ihre Fittiche, weil sie denkt, dass er der einzige Freund ihres Sohns Sejanus ist. Hier hätte man auch im Film mehr Coriolanus‘ menschliche, noch fast kindliche Seite betonen können. Ma Plinth behandelt ihn wie einen Jungen, nicht wie einen strategischen Denker, wie er sich selbst gerne sehen möchte. Ähnlich sieht es mit Tigris aus. In den Dialogen mit ihr wird fühlbar, dass die beiden eigentlich noch Kinder sind, auf denen die Verantwortung für den Fortbestand des noblen Hauses Snow lastet. Tigris ist außerdem die einzige Figur, bei der sich Coriolanus nicht verstellen muss.

Daraus folgt: Wenn die (anfängliche) Naivität des Helden nicht rüberkommt, erscheint Snows Figur im Film auch viel weniger widersprüchlich, was schade ist. Daher bleibt seine Figur flacher, weil weniger widersprüchliche Charakterisierungen aufeinandertreffen und man wird etwas weniger in seine Figur „hineingezogen“.

Eine neue Interpretation der Love Story

Eine interessante Änderung nimmt der Film auch im Ablauf der Love Story vor. Im Roman stolpern Coriolanus und Lucy Gray während ihrer Mentoren-Sessions in eine Verliebtheit hinein und küssen sich zum Abschied, bevor Lucy Gray in die Arena muss. Es erscheint im Roman wie eine Mischung aus echter Anziehung und Verzweiflung über die Umstände, was dazu führt, dass sie beieinander Trost suchen. Später gibt es ein halb erlösendes, halb von Angst und Zweifeln überschattetes Wiedersehen in Distrikt 12, bevor Coriolanus dann endgültig die Gesinnung wechselt. Denn sobald für ihn klar ist, dass er die Chance hat, ins Kapitol zurückzukehren, braucht er auch Lucy Gray nicht mehr.  Sie stellt viel mehr eine lästige Schwäche dar, die er ausmerzen möchte.

Im Film bleiben die Zweifel zu Anfang größer und die beiden küssen sich erst in Distrikt 12 zum ersten Mal. Daher erscheint Coriolanus‘ Ankunft dort mehr als definitives Happy End und sein brutaler Sinneswandel im Anschluss etwas unverständlicher.

Wie hat euch der neueste Hunger-Games-Film gefallen? Habt ihr das Buch gelesen?

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