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„Barbie“: feministische Utopie in Pink

Der lang beworbene Realfilm über Barbie mit keiner geringeren als der erklärten Feministin Greta Gerwig am Regisseurinnen-Ruder lief am 20.7. 23 an und hielt ziemlich genau das, was er versprach – mit kleinen Abweichungen. Eine Rezension.

Barbie Filmplakat vor einem Hintergrund mit pinkten Rosenblüten

© Warner Bros.,/Pixaby_JillWellington

Feministische Utopie – Barbieland hier, die reale Welt da

In „Barbieland“ läuft alles rund für die Frauen: Sie heißen alle Barbie, sie haben die unterschiedlichsten Berufe und sie beherrschen das Parlament – denn selbstverständlich gibt es auch „Präsidenten-Barbie“. Jeder Tag ist der beste Tag aller Zeiten und jeden Tag gibt’s Disco mit einstudierter Choreografie und Mädelsabend. Die Kens, also die Männer, haben nur eine untergeordnete Rolle und müssen sich danach richten, worauf die Barbies Lust haben. Die „stereotypische Barbie“ (Margot Robbie) zieht zum Beispiel die Pyjama-Party mit ihren Freundinnen einem Date mit ihrem Langzeitfreund Beach Ken (Ryan Gosling) jederzeit vor.

So vergehen die ersten 20 Minuten des Films in fröhlicher Stimmung – die perfekte feministische Utopie, die Geschlechterrollen sind umgekehrt, alles läuft nach dem Willen der Frauen. Doch Barbie denkt auf einmal an den Tod, sie wacht zerknautscht auf und ihre Füße sind plötzlich flach. Sie erfährt: In der realen Welt scheint etwas mit ihrer Besitzerin nicht mehr zu stimmen – von ihr stammen Barbies negative Gedanken. Die Protagonistin muss zu dem Mädchen in die reale Welt und seinen Glauben an die feministische Utopie von Barbieland retten. Nur so kann die Puppe wieder zur stets gut gelaunten, top gestylten Vorzeigefrau ohne Cellulite zu werden. Aber der „Schaden“ ist schon passiert: Barbie ahnt, dass es nicht damit getan sein wird, zu ihrer alten Existenz zurückzukehren. Veränderung gehört zum Leben dazu, doch diese Erkenntnis kann Barbie erstmal nur schwer annehmen. Zuvor steht erstmal der Kulturschock in der realen Welt an.

Seitenhiebe auf das toxische Patriarchat am laufenden Band

Denn in der realen Welt ist das Patriarchat an der Macht, zu Barbies Entsetzen und Kens (der sich in letzter Minute Barbies Trip angeschlossen hat) ungläubiger Begeisterung. Hier muss man nur ein MANN sein, schon darf man ungestört pöbeln und bekommt jeden Job auf dem Serviertablett! Ken „exportiert“ das Patriarchat kurzerhand nach Barbieland, so lange seine Freundin anderweitig beschäftigt ist. Die Barbies werden zu treudoofen Dienerinnen der Kens degradiert, währende die Kens die pinken Traumhäuser und das pinke Parlament übernehmen.

Im Laufe des Films setzen Barbie und ihre Mitstreiterinnen natürlich alles daran, das Barbieland wieder zurückzuerobern. Selbstverständlich nicht, ohne auf die toxischen Eitelkeiten der Kens anzuspielen und so auch auf reale patriarchale Verhaltensklischees von Cis-Männern. Da gibt es z.B. Kens, die nichts lieber tun, als männerstrotzende Filmklassiker wie den „Paten“ zu mansplainen. Oder die gerne mal vier bis fünf Stunden Gitarre spielen, während ihre Freundinnen treu daneben sitzen und zuhören sollen. Auch die Aufmachung der Kens mit Spießen und Fellmänteln spielt auf eine besonders toxische Spielart der Männerrechtsbewegung in Amerika, nämlich die Trump-Unterstützer an, die 2021 einen Sturm aufs Weiße Haus durchführten.

All diese ironischen Seitenhiebe sind der Komik wegen natürlich überzogen dargestellt – und dennoch gar nicht so weit entfernt von der Realität. Ein Grund wahrscheinlich für all die Rezensionen von amerikanischen konservativen Magazinen zum Film, die ihm „Männerhass“ unterstellen. Dabei geht es vor allem um die gründliche Parodie auf die vorherrschenden Geschlechterbilder, und davon bleibt der hyperfeminine Perfektionismus der Barbies selbst ja auch nicht ausgeschlossen – z.B., wenn die Barbies beim Anblick von Cellulite oder Birkenstockschuhen beinahe würgen müssen. Zudem zeigt der Film an einer wichtigen Stelle auf, wie sehr das Patriarchat auch Männern schadet und zeigt Verständnis für die Kämpfe von (heterosexuellen, cis-) Männern. Wer da von „Männerhass“ sprechen kann, hat den Film einfach nicht gesehen.

Tonale Schwierigkeiten bei Barbie

Hinter der Parodie soll der ernste Unterton durchschimmern. Es geht schließlich um Kritik an realen Missständen. Die fast durchgehend überdrehte Tonalität macht das aber manchmal unmöglich. Der Film will albern sein – zuweilen schadet es ihm aber. Gerade in der „real world“ wäre ein Ticken mehr tonaler Kontrast in Richtung Ernst im Gegensatz zum naiven Barbieland schön gewesen.

Dabei gelingt das dem Film teilweise schon gut, z.B. dann, wenn Barbie in der realen Welt an einer Bushaltestelle sitzt, eine alte Dame neben sich anschaut und verblüfft feststellt: „You’re beautiful!“ (Für Greta Gerwig übrigens angeblich die wichtigste Stelle des Films. Mattel wollte die Szene streichen, aber Gerwig weigerte sich.)

Kleine Längen entstehen meiner Meinung nach dann auch bei den absurd-karikaturesken Szenen mit dem pseudo-woken Vorstand von Mattel, alles alte weiße Männer im Anzug, die quasi alle Vorstände dieser Welt durch den Kakao ziehen. (Erstaunlich, dass die Firma Mattel, die den Film mitproduziert hat, das erlaubt hat.) Dass die Geschäftsleiter in großen Konzernen nicht zu feministischen Vorreitern gehören, ist jetzt keine allzu aufregende Erkenntnis.

Taugt die Barbiepuppe als feministisches Vorbild?

Der großen Debatte, ob die Barbiepuppe denn nun für weibliche Emanzipation oder für weibliche Unterdrückung steht, kann der Film von Greta Gerwig selbstverständlich nicht entgehen. In Form ihrer vorherigen Besitzerin, der mies gelaunten Teenagerin Sasha, bekommt die Stereotypen-Barbie im Film auch ordentlich eins vor den Latz geknallt. Sasha kritisiert, dass Barbie mit ihrem unrealistischen Körperbild die mental health von Mädchen gefährde und grundsätzlich eine Komplizin des Patriarchats sei.

Doch im Laufe des Plots versucht der Film, auch darauf eine Antwort zu finden. Ein Charakter schlägt dem Mattel-Vorstand die Entwicklung einer „gewöhnlichen“ („ordinary“) Barbie vor, einer Durchschnittsfrau sozusagen, die nicht perfekt aussieht und keine glänzende Karriere hat. Ein Vorbild für du und ich sozusagen. Damit zeigt der Film, dass er auch vor einer Kritik an oberflächlichem, weißem Feminismus nicht zurückschreckt – zumindest streckenweise. „Du musst es nur wollen, dann kannst du als Frau alles werden“ – so einfach ist es nun mal in der Realität nicht.

Genderbinarität bleibt erhalten

Mit der offensichtlichste Kritikpunkt am Film Barbie ist, dass er die Geschlechterbinarität erhält. Dass es nichtbinäre, intergeschlechtliche oder transgeschlechtliche Menschen gibt, erkennt der Film nicht an (auch wenn eine der Barbies von einer trans Frau gespielt wurde, immerhin!). Es gibt zwar viele People of Color im Cast und auch eine Barbie im Rollstuhl, aber die Hauptfiguren sind natürlich die normschönen weißen Schauspieler*innen Margot Robbie und Ryan Gosling.

Die schwangere Barbiepuppe Midge bleibt ein Running Gag im Barbieland, weil sie schon lange nicht mehr in der realen Welt verkauft wird, „zu seltsam“. Ich denke, das liegt daran, dass die Barbiepuppe an sich ja wegführen wollte von dem einzigen Spielangebot, „Mutter und Kind“, das die Babypuppe bis heute darstellt. Mädchen, die Barbies mögen, fühlen sich wahrscheinlich eher von der Fantasie vom Erwachsenenleben abseits der „Caregiver“-Rolle angezogen. Ein Grund, warum sich die schwangere Barbie wahrscheinlich schlechter verkauft hat und aus dem Programm genommen wurde. Eine Mutterfigur kommt dafür mit Gloria (America Ferrera), Sashas Mutter, in den Plot. Sie hätte nicht fehlen dürfen, weil sie die Lebensrealität von vielen Frauen über dreißig repräsentiert, die wahrscheinlich die Hauptzielgruppe des Films war. So kommen weitere Konflikte als Nebenplot hinzu: Glorias Gefühl, nie genug zu sein, sich selbst zu verlieren bei der Zerreißprobe zwischen Elternschaft, Brotjob und Privatleben, Glorias Kämpfe mit ihrer pubertierenden Tochter.

Fazit

Der Film Barbie ist eine witzige, dabei freche, überdrehte, manchmal richtig böse Satire auf die gängigen Geschlechterrollen im Patriarchat und alle Anforderungen, die an uns als Cis-Frauen und Cis-Männer gestellt werden. Er scheut sich an manchen Stellen sogar vor tiefgreifenderer Selbstkritik nicht zurück. Ein wenig schärfer im Tonfall hätte er aber an manchen Stellen ruhig sein können. Die popkulturellen Anspielungen – von Space Odyssee: 2001 über Matrix bis hin zu Saturday Night Fever – begeistern jedes Nerd-Herz, dazu ist der Film mit ausschließlich berühmten Performer*innen auf dem Soundtrack durchgängig am Puls der Zeit. Anschauen!

Falls euch weitere Filme von Greta Gerwig interessieren: Auf Ant1heldin gibt es auch eine Rezension zur Buchverfilmung Little Women.

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