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„Succession Game“ – clevere Dystopie mit Diversität

Werbung/Rezensionsexemplar. Succession Game von Anika Beer hat meiner Begeisterung für das Dystopie-Genre definitiv neues Futter gegeben! Der Roman ist ein dicht erzählter Thriller mit absurden, traurigen und witzigen Momenten. Die Verhandlung von Identitäten – auch künstlichen – sowie die Bedeutung von Diversität sehe ich als die beiden bestimmenden Themen im Buch. 

Buchcover Succession Game

Darum geht’s bei Succession Game

Das Ausgangssetting: Wir befinden uns im Jahr 2054 im Großballungsraum Berlin. Die Menschen leben in einer zunehmend technologisierten, urbanisierten Welt, Wälder gibt’s nur noch in streng bewachten Naturschutzgebieten. Großkonzerne sind an der Macht. Zum Beispiel deep.inc, die jedes Jahr das „Succession Game“ als mediales Großereignis inszenieren. Eine Art Battle Royale, bei dem die Mitspielenden (z.T. sehr gefährliche) Aufgaben lösen müssen, z.B. aus Escape Rooms entkommen. Wer Fehler macht oder die Aufgabe nicht bewältigen kann, wird Game Over gesetzt. Die Spieler*innen werden zwar immer wieder auf Teams aufgeteilt, letztendlich spielt jeder und jede aber für sich allein. Denn es kann nur ein*e Gewinner*in geben. Das Besondere: Alle Mitspielenden („Contender“) haben eine künstlich erschaffene Persona „aufgespielt“ bekommen. Sie sind nicht mehr sie selbst, sondern spielen diese Persona. Dadurch entstehen im Plot viele schöne Zweideutigkeiten und Twists.

Besonderheit: ein großer Figuren-Cast

Es gibt bei Succession Game einen ganzen Cast an Figuren in- und außerhalb des Games: den Arzt Rafael, der neu von deep.inc angeheuert wurde, um die Gesundheit der Contender während des Spiels zu überwachen. Oder die Studierenden Yez und Hathi sowie die Contender im Game natürlich wie die Privatdetektivin Clue. Aber die Figur, die einem Protagonisten vielleicht am nächsten kommt, ist Theo.

Theo hat das „Succession Game“ schon vier Mal gewonnen. Zu Beginn des Romans tritt er ein fünftes Mal an. Aber Obacht: Theo ist natürlich nur eine Persona, die von einem real existierenden Menschen gespielt wird. (Von wem, wird im Roman später noch einmal wichtig.) Und, zweitens: Kann man den charismatischen Theo wirklich so einfach als unreale, platte Game-Persona ohne eigenen Willen zur Seite schieben? Ihr werdet’s euch schon denken: Natürlich nicht!

Westworld- und Doctor-Who-Anspielungen

Denn schon von Anfang an wird klar: Die Spielemacher von „Succession Game“ nehmen nicht nur gesundheitliche Schäden ihrer Contender in Kauf. Schließlich müssen die künstlichen Personas mittels persönlichkeitsverändernder Drogen in der Psyche der Spielenden „verankert“ werden. Hinzu kommt plastische Chirurgie, die manchmal nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Die Game-Personas haben zusätzlich keine Erinnerung an das Leben ihrer „Spieler“, sie sind aus ihrer eigenen Perspektive eigenständige Persönlichkeiten, die aber mit einem Fingerschnippen von den Spielemachern wieder gelöscht und damit getötet werden können. Und hier kommen wir zum alten Dilemma von künstlichen Intelligenzen in der Science Fiction: Welche Rechte haben sie? Dürfen die Menschen mit ihnen machen, was sie wollen? Wie viel Bewusstsein haben sie?

Daher drängte sich mir beim Lesen von Succession Game der Vergleich mit der Serie Westworld von Anfang an auf. Auch dort werden unwissende AIs für die Zwecke der Menschen missbraucht. Sie wissen am nächsten Morgen nichts davon, weil ihr Gedächtnis jeden Abend gelöscht wird. Ähnlich dazu müssen die Contender im „Succession Game“ jeden Abend eine Dosis der persönlichkeitsverändernden Drogen nehmen, damit die Persona erhalten und die eigentliche Identität des Spielenden, mitsamt seinen Erinnerungen, unterdrückt bleibt.

Theo ist als typischer „unwahrscheinlicher Held“ aufgebaut. Er ist eher schmächtig und hat keine Superfähigkeiten wie andere Spiele-Personas. Aber er hat seinen Charme und schafft es so, andere für sich einzunehmen und für sich arbeiten zu lassen. Hinzu kommt, dass er sich nach vier Spielen einfach sehr gut im Game Ship auskennt und für jede noch so ausweglose Situation eine Lösung für sich und seine jeweiligen Teampartner aus dem Ärmel schütteln kann. Deshalb hat er mich mit seiner (scheinbar) stets unbeschwerten, ironischen Art und seinen auf den ersten Blick durchgeknallten Ideen ein bisschen an Doctor Who erinnert (vor allem in David Tennants und Matt Smiths Reinkarnation).

Theo hat mir beim Lesen einfach unheimlich viel Spaß bereitet – auch und vor allem, sobald die tragischen Seiten seiner Figur nach und nach aufgedeckt werden.

Roman Succession Game und Charakter-Illustrationen

Spannende Twists und Identitätenwechsel

Kommen wir zu den Thriller-Elementen im Roman. Oh Mann, sind die gut! Als zweite Hauptfigur kann man Clue bezeichnen, sie ist ebenfalls Spielerin im Game. Zwischen ihr und Theo entsteht zu Anfang ein kleines Katz-und-Maus-Spielchen. Denn er verdächtigt sie bzw. die Person, in deren Körper sie spielt, das Game unterlaufen zu wollen. Dabei bleibt zunächst unklar, ob er das befürwortet oder nicht, also ob er gegen deep.inc arbeitet oder nicht.

Um nur einige Beispiele für spannende Thriller-Elemente zu nennen, und ohne zu viel zu spoilern:

Es gibt Spiel-Personas, die plötzlich ausscheiden, wenn man es am wenigsten erwartet. Zudem herrscht verständlicherweise eine ständige Anspannung zwischen den Contenders untereinander. Wer verrät wen, wer ist ehrlich – kann Clue z.B. Theo trauen? Über allem schwebt außerdem das „Big Brother“-Auge von deep.inc, denn selbstverständlich ist die Überwachung des Großkonzerns allgegenwärtig, was für zusätzlichen Nervenkitzel sorgt.

Der Roman wechselt immer wieder geschickt die Erzählperspektive zwischen Figuren innerhalb und außerhalb des Spiels. Wobei sich diese ja auch untereinander überlappen, da ja auch die Hosts, die die Spiel-Personas verkörpern, noch eine Rolle spielen. Ihr seht, Succession Game macht da ein sehr amüsantes Verwirrspiel für die Leserschaft auf. Anika Beer gelingt es sehr gut, immer genau so viel Informationen zu enthüllen, wie benötigt werden, um weiter mitzufiebern. So hat man das Gefühl, dass alle Puzzleteile immer genau zum richtigen Zeitpunkt an ihren Platz fallen.

Diversität und fluide (Geschlechts-)Identitäten bei Succession Game

Succession Game spielt in der (nahen) Zukunft, einer Zukunft, in der Geschlechtsidentitäten nicht mehr so starr definiert werden wie in unserer aktuellen Gesellschaft. Daher werden im Roman auch bei nicht-binären Charakteren wie Yez nicht-binäre Pronomen wie „sier“ verwendet. Darüber stolpert man beim Lesen zu Beginn etwas, gewöhnt sich aber schnell daran. In der dargestellten Gesellschaft ist es außerdem total normal, dass man sich gegenseitig fragt, wie man angesprochen werden möchte. So einfach ist das!

Die Fluidität von Identitäten überträgt sich bei Succession Game aber auch, wie bereits angedeutet, auf die Persönlichkeiten der Figuren. Die Spiele-Personas sind Doppelgänger und Zerrbilder ihrer Programmierer. Das halte ich für einen schön gelungenen psychologischen Twist.

Clue ist dabei eine schön ausgeformte Frauenfigur, die sich nicht darauf verlässt, dass Figuren wie Theo ihr im Game zur Hilfe kommen. Mehr kann ich nicht verraten.

Fazit

Ein toller dystopischer Roman mit ganz viel Konzernkritik und Hacking-Thriller-Elementen. Die biologischen und technischen Details sind (so weit ich sie verstanden habe) sehr sorgfältig durchdacht und lassen jedes Nerd-Herz höher schlagen. Am allerbesten gefallen hat mir aber der geschickte Einsatz von Emotionen, Witz und Tragik im Verlauf dieser spannenden Geschichte. Wer da nicht mitfiebert, weiß ich auch nicht!

Kleiner Spoiler zum Schluss: Das Ende hat einen kleinen Cliffhanger. Man darf also gespannt sein, ob und wie es weiter geht! Habt ihr den Roman gelesen?

Danke an den Piper-Verlag und Anika Beer, dass ich Teil der S.G.W.G. (=Succession Game Winner Gang) sein durfte!

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