LOADING

Type to search

Popkultur unter der Lupe Weibliche Detektive

Vergewaltigung als Vorgeschichte von Ermittlerinnen: Ein Kampf gegen die rape culture?

Lisbeth Salander, Jessica Jones und Robin Griffin (Top of the Lake) sind nur drei aktuelle(re) Beispiele, die zeigen: Die weibliche Detektivin oder Ermittlerin hat in der Popkultur nicht nur gegen eine männerdominierte Berufswelt, sondern meist auch mit einer sexuell traumatischen Vergangenheit zu kämpfen. Mich hat interessiert, warum das so ist und ob die Vergewaltigung als Vorgeschichte wirklich der Kritik an sexueller Gewalt dient.

Was ist rape culture und was hat die Popkultur damit zu tun?

Die so genannte rape culture überhaupt zu thematisieren, ist ein junges Phänomen in der Popkultur. Ich denke dabei z.B. an Orange is the new black, wo von der alltäglichen häuslichen Gewalt erzählt wird, die manche Protagonistinnen erlebt haben – und begreifen, dass dies kein „naturgegebenes“ Geschlechterverhältnis ist.

Der Begriff rape culture bedeutet nicht automatisch, dass wir in einer Welt von Vergewaltigern leben. Er beschreibt das gesellschaftlich tolerierte Machtverhalten von Männern, „Frauen auf ihren Platz zu verweisen“, wie es Kulturwissenschaftlerin Stefanie Lohhaus in einem Interview mit „deutschlandfunk.de“ beschreibt, und zwar mithilfe von sexualisierter Gewalt. Das geht beim anzüglichen Blick los, äußert sich in der verächtlichen Behandlung von Frauen am Arbeitsplatz und findet in der Vergewaltigung ihre extremste Ausprägung. Alle diese Handlungsweisen sollen Frauen zeigen: „Du bist nur ein Objekt, du hast hier nichts zu sagen“.

Nun kommt die Vergewaltigung als Vorgeschichte nicht nur bei Frauenfiguren in Dramaserien, sondern immer öfter auch in Krimis vor. So gern ich dieses Genre mag: Keiner kann wohl leugnen, dass es vor Klischees nur so strotzt. Der „gestörte Ermittler“ ist nur eines davon. Ein so wichtiges Thema wie sexuelle Gewalt als billige Handlungsmotivation für die Ticks und Schrullen einer Detektivin zu verwenden, fände ich daher höchst problematisch. Worum geht es den Autoren also?

Alles steht und fällt mit der Darstellung von rape survivors

Sexuelle Gewalt gegen Frauen oder gar Vergewaltigung in der Kunst und Kultur zu zeigen, wie es auch in gehypten Fernsehserien oder Buchreihen passiert, finde ich wichtig und richtig. Wie bereits Mareike in ihrem Artikel über ihre persönliche Erfahrung von sexueller Gewalt plädiert: diese Erfahrungen müssen endlich enttabuisiert werden, weil das Tabu nur die Täter schützt und die Opfer stigmatisiert. Die Popkultur kann dazu einen guten Beitrag leisten. Aber: Es kommt dennoch auf die Darstellung der rape survivors an. Ist die betreffende Figur (als plakativstes Beispiel) bindungsunfähig oder drogenabhängig, bedient das Trauma durch Vergewaltigung vermutlich nur ein Genre-Klischee.

Lasst mich zuerst klären, warum eine Detektiv- oder Ermittlerfigur immer mit einer schwierigen Vergangenheit aufwarten muss. Danach gehe ich auf Vergewaltigung als Vorgeschichte bei Ermittlerinnen ein.

Vergewaltigte Ermittlerinnen: Kritik oder Bestätigung von rape culture?

Das Klischee der kaputten Ermittler-Figur

Es gibt wohl keinen einzigen modernen Krimi, in dem der Ermittler oder die Ermittlerin ein erfülltes Privatleben hat. Immer ist es mindestens eine kaputte Familie (z. B. eine zerstörte Ehe und entfremdete Kinder wie bei den Wallander-Krimis) die mit all ihren Implikationen die Ermittlertätigkeit des Detektivs erschwert, wenn nicht gar handfeste psychische Probleme, z.B. eine Zwangsneurose (Monk), Depressionen aufgrund von traumatischen Erlebnissen in der Vergangenheit (True Detective und viele andere), eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (Sherlock) und natürlich Suchtverhalten, das ebenfalls meist aus einer traumatischen Erfahrung aus der Vergangenheit herrührt. Die psychischen Probleme ziehen wieder Schwierigkeiten im Familien- oder Beziehungsleben nach sich und so erleben wir den Ermittler oder die Ermittlerin immer auch in einer Parallelhandlung zum eigentlichen Krimi: dem Kampf mit sich selbst.

Es braucht immer einen Junkie oder Soziopathen

Dieses Konzept hat sich so erfolgreich eingebürgert, dass eine „normale“ Krimihandlung, wo es „nur“ darum geht, den Mörder zu überführen, nicht mehr ausreicht, um Leser oder Zuschauer zu finden. Sherlock Holmes hätte heute wahrscheinlich keinen so großen Erfolg mehr (sein Suchtverhalten spielt in seinem täglichen Leben kaum eine Rolle), und es ist kein Zufall, dass die Macher von Sherlock die soziopathischen Persönlichkeitszüge der Hauptfigur im Gegensatz zur Vorlage von Arthur Conan Doyle deutlich übertrieben haben.

Darum ist eine Ermittler-Figur mit privaten Problemen so spannend

Durch die privaten Probleme erlangt die Ermittler-Figur eine größere Fallhöhe im Gegensatz zum relativ sicheren (körperlich und psychisch) klassischen Detektiv à la Hercule Poirot. Durch die anstrengende Ermittlertätigkeit steht immer auch die psychische Gesundheit der Hauptfigur auf dem Spiel, und wenn sie am Ende den Täter überführt, so hat sie es trotz ihrer persönlichen Dämonen geschafft. Zudem werden nicht selten aus den anfangs abstrakten, unpersönlichen Kriminalfällen des Ermittlers ein Kampf mit der eigenen Vergangenheit, wenn z.B. Ex-Partner, alte Feinde oder gar Peiniger im Zusammenhang mit dem Kriminalfall auftauchen und das Privatleben des Detektivs bedrohen. Bei Hercule Poirot ging es immer „nur“ um den Ehrgeiz, den Fall lösen zu können. Bei modernen Detektiven, seien sie männlich oder weiblich, geht es immer um das große Ganze, um nichts weniger als die Rettung ihres Seelenfriedens und ihres Verstandes. Das ist eine Prämisse, auf die viele Krimileser und -schauer heute nicht mehr verzichten möchten. Ich geb’s zu, ich auch. Umso persönlicher es wird im Krimi, desto besser gefällt er mir. Zur Freude am logischen Kombinieren (dem Lösen des Fallrätsels) gesellt sich bei solchen Krimis der Spannungssog, den eine tragische Hintergrundgeschichte ermöglicht.

Vergewaltigung als back story bei Ermittlerinnen

Vergewaltigung als traumatische Erfahrung aus der Vergangenheit ist zum einen ein viel genutzter plot device in der Popkultur, um depressives oder antisoziales Verhalten von fiktiven Charakteren, meistens Frauen, zu erklären. Er ist so nicht auf das Krimi-Genre beschränkt und kommt schon in der einfachst gestrickten Telenovela vor. In den letzten Jahren tauchen jedoch verstärkt Ermittlerinnen oder Agentinnen in TV-Serien oder Krimiromanen auf, die vergewaltigt wurden und durch dieses Erlebnis in ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrem privaten Verhalten bestimmt werden.

Die Vergewaltigung schafft hier das Trauma, das die kaputte Ermittlerfigur erst ermöglicht. Problematisch daran finde ich, wie diese Vorgeschichte oftmals instrumentalisiert wird und dass sie vor allem Frauenfiguren betrifft.

Die ewige Opferrolle

Männliche Detektive waren im Krieg (Cormoran Strike), haben Frau oder Kind verloren (Rust Cohle aus True Detective) oder eine Kindheit im Heim hinter sich (you name it!). Sie haben dadurch seelische Probleme, verhalten sich egoistisch oder antisozial (Aggressionsprobleme etc.), werden aber natürlich trotzdem zum einsamen Helden glorifiziert. Ihr Verhalten wird mit der traumatischen Vergangenheit entschuldigt. Ich ziehe dazu immer gern das „Einsame Wolf“-Syndrom heran: Solang diese (meist männliche) Figur noch irgendwie mysteriös und schlagfertig auftritt, ist es egal, dass sie sich ständig prügelt.

Ermittlerinnen mit Vergewaltigung als Vorgeschichte werden jedoch meist ausschließlich von dieser bestimmt, haben „nur“ die Vergewaltigung als Erklärung für ihr Verhalten. Als „kaputte Ermittlerin“ können sie deshalb per definionem gar nicht anders, als jedes Klischee eines Vergewaltigungsopfers zu bestätigen (alkoholabhängig, bindungsunfähig etc.), sonst wären sie ja keine „kaputten“, sondern langweilig-normale Ermittlerinnen. Nach den Regeln der rape culture werden sie so für immer zum Opfer gestempelt. In einer Gesellschaft, in der sofort angenommen wird, dass das Vergewaltigungsopfer schon eine Mitschuld an der Tat trägt, weil es nachts irgendwo allein unterwegs war oder Alkohol getrunken hat, bleiben vergewaltigte Frauen auch für immer „beschädigte Ware“, sowohl körperlich als auch psychisch. Alles andere wäre ja eine Anmaßung. (Und nur am Rande: Einen männlichen Detektiv mit Vergewaltigung als Vorgeschichte gibt es auch nicht! Denn es werden ja nur Frauen vergewaltigt, ist klar.) Inwiefern Krimi-Klischees und rape culture, wie von mir behauptet, tatsächlich ineinandergreifen, möchte ich an drei prominenten Beispielen von weiblichen Ermittlern überprüfen.

Jessica Jones als rape survivor und Ermittlerin

Das Beispiel Jessica Jones springt ins Auge, weil die Serie gerade wieder aktuell ist. Die zugrunde liegende Comic-Reihe Alias ist eigentlich schon 17 Jahre alt und stellte als „Erwachsenen-Comic“ (Alkoholismus, Sex, Fluchen) einen Durchbruch bei Marvel dar. Mit dem Bösewicht purple man (aka Kilgrave) kam auch eine gute Portion Kritik an männlichem Machtmissbrauch und sexueller Gewalt noch lange vor #metoo ins Spiel. Der große Unterschied zwischen Comic und Serie ist aber, dass der purple man als veritable Horrorgestalt mit lila Haut (ähnlich der Super-Bösewichte aus Spider Man etc.) daherkommt, Kilgrave in der Serie aber als britischer Gentleman mit glatt geleckter Fassade dargestellt wird, der ziemlich schicke lila Sakkos trägt. Seine Grausamkeit wird durch diese Diskrepanz von innen und außen noch verstärkt. Der purple man aus dem Comic vergewaltigt Jessica Jones außerdem nicht (die Gewalt ist hier noch perfider: er lässt Jessica ein unerfülltes sexuelles Verlangen nach ihm spüren, während er sie dabei zuschauen lässt, wie er andere Frauen vergewaltigt), Kilgrave in der Serie tut dies schon, Jessicas Leid wird dadurch noch einmal persönlicher. Die Andeutung hinter diesem Szenario ist klar: sexuelle Gewalt kann hinter jeder noch so schön gepflegten Fassade lauern. Und es ist kein Zeichen von Schwäche, diese erlitten zu haben – selbst Jessicas Superheldenkräfte versagten gegenüber Kilgraves Gedankenkontrolle ihren Dienst (lest auch meinen Blog-Beitrag zu den Opfer-Täter-Beziehungen in der ersten Staffel von Jessica Jones.)

Jessica Jones erfüllt Klischees aus dem Kanon der rape culture

Es bleibt trotzdem die Darstellung der Serien-Jessica als rape survivor, die mir ein wenig sauer aufstößt, auch wenn ich ihre Figur sehr gerne mag: Sie bleibt beziehungsgeschädigt und wird als Person dargestellt, die sich keinem Menschen anvertrauen oder ihre Gefühle offenbaren will.

Potentielle love interests lässt Jessica erstmal im Regen stehen (auch Oscar aus Staffel 2), weil sie sich vor zu starker Nähe schützen will. Auf den unverbindlichen Sex folgt immer erstmal Funkstille. Auch ihre beste Freundin Trish hält Jessica auf Abstand. Ihre Alkoholsucht ist zudem ihr ständiger Begleiter und wird kaum kritisiert. Die Heroin- und später Sexsucht(?) ihres Geschäftspartners Malcolm wird in Staffel 2 hingegen als äußerst problematisch dargestellt. Ich frage mich hier schon, was da der Unterschied sein soll. Aber es soll wohl darum gehen: Jessica muss das geschädigte Vergewaltigungsopfer bleiben, das nur noch mit zynischer Miene und der Whiskyflasche in der Hand durchs Leben schlurft. Ihr Alkoholismus ist ein notwendiges Accessoire als klischeeiges Vergewaltigungsopfer und bedient nebenbei so auch noch das (zugegeben, ziemlich reizvolle) Klischee von der kaputten Ermittlerfigur. Zudem kann Jessica als klischeeiges Vergewaltigungsopfer viel besser als wütende Rächerin von Frauen eingesetzt werden (wir erinnern uns: sie rächt das Kilgrave-Opfer Hope Shlotman, ihre beste Freundin Trish und in der zweiten Staffel auch ihre Mutter). Diese Rächerfunktion ergibt sich oft bei Ermittlerinnen mit Vergewaltigung als Vorgeschichte (siehe Lisbeth Salander).

Jessicas weitere Vorgeschichten: mind rape als patriarchale Gehirnwäsche

Gut finde ich, dass Jessica Jones nicht allein von der Vergewaltigung als Vorgeschichte bestimmt wird. Diese kam eigentlich noch oben drauf zu dem traumatischen Erlebnis, ihre Familie zu verlieren und plötzlich mit Superheldenkräften klarkommen zu müssen. Wie oben schon angedeutet, sind aber beide Erlebnisse miteinander verquickt: Gerade, als Jessica ihre Kräfte akzeptiert hat, wird sie von Kilgrave entführt, der sie zwingt, ihre Kräfte in der schlimmsten Art und Weise einzusetzen: um einen Menschen zu töten. Die körperliche Vergewaltigung und der „mind rape“ spielen hier wie eins zusammen. Das ist eigentlich der kluge Twist an Jessica Jones. Die Serie kritisiert damit die Gehirnwäsche, der alle Frauen von der rape culture unterzogen werden. „Zieh dich nicht so an, sonst musst du dich nicht wundern, wenn du angegrapscht wirst.“ Wir kennen das.

Robin Griffin aus Top of the Lake: Bitterer Kampf gegen das Patriarchat

In der preisgekrönten Serie Top of the Lake kehrt die Polizistin Robin Griffin (Elisabeth Moss) in Staffel 1 nach jahrelanger Abwesenheit in ihren Heimatort Laketop zurück, eine einsame Kleinstadt mitten in der Wildnis in Neuseeland. Der Fall einer zwölfjährigen Schwangeren, die vor dem Selbstmord gerettet wurde und die den Vater ihres Kindes nicht angeben will, triggert Erinnerungen aus Robins eigener Vergangenheit. Sie wurde mit 15 Jahren von vier Männern vergewaltigt. Noch schlimmer: Sie wurde schwanger und von ihrer streng gläubigen Mutter gezwungen, das Kind auszutragen. Zu ihrer Tochter hat Robin keinen Kontakt.

Robins Darstellung als rape survivor ist ambivalent. Sie wird als nüchterne Frau gezeichnet, die zwar einen Verlobten in Sydney hat, aber doch seltsam abgeschottet vom Rest der Welt wirkt. Eine Alkoholsucht wird angedeutet (zumindest ist sie in sehr vielen Szenen alkoholtrinkend zu sehen). Beim Ermitteln kommt Robin relativ schnell zu dem Schluss, dass die zwölfjährige Tui von mehreren Männern vergewaltigt worden sein muss und projiziert ihre eigene Erfahrung somit auf diesen Kriminalfall.

Problematische Figurenzeichnung von Robin

Damit betont die Serie, was problematisch an Robins Ermittlerfigur ist. Ihr Kampf gegen das Vergewaltigungs-Trauma ist zwar mitreißend, als Figur bleibt Robin jedoch blass, weil die Vergewaltigung als Vorgeschichte alles ist, was sie auszeichnet. Ich kann nur von der ersten Staffel sprechen: Hier verkörpert Robin jedenfalls ausschließlich den Kampf gegen das Patriarchat. Gegen die Unterschätzung am Arbeitsplatz, gegen männliche dominierte Machtgefüge in Laketop wie Tuis Vater, den örtlichen Drogenboss, der versucht, ihre Polizeiarbeit zu sabotieren. Das ist spannend anzusehen, fügt der Schema F-Darstellung einer Ermittlerin mit Vergewaltigungs-Backstory aber nichts Neues hinzu. Nebencharaktere wie die weißhaarige GJ, eine Art weiblicher Guru, die desillusionierte Frauen um sich versammelt, bleiben besser in Erinnerung.

Verunsicherung durch rape culture und männliche Machtstrukturen

Um fair zu sein: Top of the Lake thematisiert den klischeehaften Umgang mit Vergewaltigung als Handlungsmotivation. In einem großartigen Monolog zwischen Robin und ihrem Kollegen Al spricht dieser sie ganz unverblümt auf ihr Vergewaltigunsgtrauma an. Es ist auch das erste Mal, dass man als Zuschauer davon erfährt. Aber die Art und Weise, wie er es tut, ist wichtig. Er teilt ihr gleich zweimal die Rolle des Opfers zu und spricht ihr dadurch jede Kompetenz als Ermittlerin ab. Die Männer im Ort hätten damals die vier Vergewaltiger mit Prügel bestraft. Und Robin sei wohl nicht ganz objektiv, was Tuis Fall beträfe. Die wahnwitzige Implikation hier ist: Die vergewaltigte Frau soll doch bitteschön dankbar sein, dass die Männer ihres Umfelds sie „gerächt“ haben – dass alle vier Vergewaltiger nie verurteilt wurden, ist Nebensache. Und, ach ja, aus der ernsthaften Polizeiarbeit soll sie sich doch auch raushalten. Als verstörtes Vergewaltigungsopfer ist sie ja sowieso nicht zurechnungsfähig. Das Perfide ist: Als Zuschauerin habe ich Als Implikation ein Stück weit geglaubt. Ist Robin als Ermittlerin noch kompetent oder nicht?

Robin als Rächerin

Robin versucht, trotz ihres noch immer aktuellen Traumas, ihr Leben zu leben und fängt eine Beziehung mit ihrer Jugendliebe Johnno an. So unterscheidet sie sich doch stark von der lebensverneinenden Jessica Jones. Aber als sie eines Tages in der Dorf-Bar auf einen ihrer Vergewaltiger trifft, rastet sie (verständlicherweise) aus und versucht, ihn mit einer zerbrochenen Bierflasche anzugreifen. Der Kampf gegen das Vergewaltigungstrauma ist omnipräsent in Top of the Lake, bestimmt alle Handlungsmotivationen Robins und erinnert teilweise an klassische „rape and revenge“-Plots.

Lisbeth Salanders Rachefeldzug gegen die Männer

Vermutlich kennt ihr alle die Millennium-Trilogie zur Genüge, ich möchte Lisbeth Salander der Vollständigkeit halber trotzdem als „Prototyp“ vergewaltigten Ermittlerin vorstellen. Die Art und Weise, wie ihr die Außenseiterrolle zugeteilt wird, ist schon sehr klischeebehaftet: Eine autistische Hackerin, die nur in punkigen Lederklamotten rumläuft, kann ja nichts anderes als eine Vergewaltigung als Vorgeschichte haben. Ihre unglaubliche Leidens- plus Rächergeschichte (gewalttätiger Vater, bestialische Vergewaltigungen in der Psychiatrie und durch ihren gesetzlichen Vormund, den Lisbeth dann bestraft) scheint mehr aus einer Thriller- oder „rape and revenge“-Handlung zu stammen als aus einem Krimi, der Verblendung ja tatsächlich ist. Sie hilft dem Journalisten Mikael Blomkvist, einen alten Fall zu lösen und einen aktuellen Serienkiller zu schnappen. Das alles ist wahnsinnig spannend zu lesen bzw. anzuschauen, hat aber nichts mit der realistischen Darstellung eines rape survivors zu tun, würde ich meinen. Lisbeth Salander dient als „Gefäß“ für eine äußerst befriedigende Rächer-Story, ist aber leider keine runde fiktive Figur.

Fazit

Ermittlerinnen mit Vergewaltigung als Vorgeschichte – immer her damit, so lang ihre Figur nicht allein durch dieses Erlebnis definiert wird. (Und bitte macht mal Schluss mit der Alkoholsucht als „cooler Marotte“ von Detektiv-Figuren). Ein wirklicher Fortschritt wäre zudem, einen vergewaltigten Ermittler zu zeigen oder eine Kommissarin, die ein ganz normales Leben mit Partner/Partnerin und Kindern führt und den Spagat zwischen Privatleben und Beruf schaffen muss. Das wäre tatsächlich etwas, das ich gerne auch mal anschauen oder lesen würde.

Kennt ihr noch Ermittlerinnen im Krimi mit Vergewaltigungs-Vorgeschichte? Welche davon ist interessant, welche klischeehaft dargestellt?

Tags:

6 Kommentare

  1. Buchling 27. Dezember 2019

    Die großartigen Romane von Karin Slaughter hat gleich zwei Hauptfiguren, die eine bzw.mehrere Vergewaltigunge überlebt haben und damit ganz unterschiedlich umgehen. Unbedingt lesenswert

    Antworten
  2. Ulrike 2. Oktober 2018

    Guten Morgen,

    vielen Dank für diesen sehr spannend zu lesenden Artikel. Zu der Frage, ob es denn keine Kommissarinnen oder Ermittlerinnen mit intaktem Familienleben gibt, kann ich leider nichts beitragen, aber aktuell fallen mir zwei Beispiele für männliche Detectives ein:

    1) DCI Tom Barnaby aus „Inspector Barnaby“, der teilweise Unterstützung bei der Lösung seiner Fälle von seiner Frau bekommt, und
    2) FBI-Agent Peter Burke aus „White Collar“, der in einer harmonischen Ehe mit einer selbständigen Unternehmerin (Event Managerin) lebt.

    Liebe Grüße
    Ulrike

    Antworten
    1. Sabine 2. Oktober 2018

      Hi Ulrike,
      danke für deinen Kommentar und deine Anregungen! Inspector Barnaby muss ich mir wirklich mal wieder „reinziehen“, ab und zu stehe ich echt auf „Cozy Crime“ 🙂

      LG, Sabine

      Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published. Required fields are marked *

* Ich stimme der Datenschutzerklärung zu.