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Popkultur unter der Lupe

„Rebecca“: sexistischer Horror

„Last night I dreamt I went to Manderley again.” So beginnt der berühmteste Roman der britischen Autorin Daphne Du Maurier, und sicher auch einer der berühmtesten Romane der englischen Literaturgeschichte. Die Rede ist von Rebecca. Der Roman ist 1938 im Original erschienen und wurde sofort ein absoluter Publikumserfolg. Im Roman geht es um die Entwicklungsgeschichte einer naiven Heldin, gemixt mit Horror- und Krimi-Elementen. Die Heldin fühlt sich mehr und mehr vom Idealbild der ersten Ehefrau ihres Mannes, Rebecca, verfolgt.

Rebecca_Buchcover

© amazon.de, pixabay: Free-Photos / 9089 Bilder

Natürlich gibt es verschiedene Definitionen, was ein „Literaturklassiker“ ist. Wenn man allein nach der Langlebigkeit geht, gehört Rebecca auf jeden Fall dazu: Zahlreiche Übersetzungen des Textes in verschiedene Sprachen, dazu Filmadaptionen für Kino und Fernsehen – ganz zu schweigen von anhaltend hohen Auflagenzahlen – zeichnen ein Bild davon, wie beliebt Rebecca bis heute ist. Viele Kritiker loben heute vor allem den geschickt aufgebauten psychologischen Horror des Plots sowie Du Mauriers atmosphärischen Schreibstil. Dabei hat Rebecca aber auch einige melodramatische Elemente, weshalb er vom Feuilleton immer nur belächelt wurde.

Die berühmteste Rebecca-Verfilmung ist sicher die von 1940, für die Hollywood Alfred Hitchcock beauftragte. Diesen Herbst ist auf Netflix eine neue Filmadaption erschienen – der Stoff zieht also immer noch ? Besonders beim weiblichen Lesepublikum. Klar, geht es doch um die Leidens- und Liebesgeschichte einer naiven weiblichen Heldin, die im Verlauf der Geschichte über sich hinauswachsen muss. Daher würde ich den Roman zu den „Frauenklassikern“ zählen.

Ich stelle mir jetzt die Frage: Was ist tatsächlich noch dran an Rebecca? Kann ich dem allgemeinen Urteil zustimmen? Als Teenagerin hatte ich den Roman geradezu verschlungen. Für meine Artikelreihe zu „Klassikern unter der Lupe“ habe ich mir den Roman noch einmal vorgenommen und dazu zwei Adaptionen angesehen: die Hitchcock-Verfilmung und die aktuelle Verfilmung auf Netflix.

Achtung: ich muss eine paar Handlungsdetails spoilern, um meine Standpunkte klar zu machen (was ich aber bei einem Klassiker-Roman für vertretbar halte).

Rebecca als zweischneidiges Lesevergnügen

Was Rebecca spannend macht, sind ganz eindeutig die Verweise auf die „Gothic Novel“ des 19. Jahrhunderts und den modernen Umgang, den Du Maurier damit findet. Außerdem kann man den Roman als Krimi oder spannendes Coming-of-Age-Drama lesen, wie ich es selbst bei der ersten Lektüre getan habe. Allerdings gibt es einige Elemente, die Rebecca zu einem zweischneidigen Lesevergnügen machen, wie ich beim zweiten Lesen feststellen musste.

Aber zuerst zu den „Gothic Novel“-Anleihen: Denn ich musste feststellen, dass man um diesen Begriff nicht herumkommt, wenn man sich mit Rebecca etwas tiefergehender beschäftigt. Dass sich der Roman ganz bewusst in diese Erzähltradition einordnet, wird, mit ein wenig Hintergrundwissen, schnell ersichtlich: Es geht um einen unheimlichen Handlungsort (ein altes englisches Herrenhaus), um eine Heldin in Gefahr und einen Geist, der das Schloss heimsucht – wenn auch hier nur im übertragenen Sinn.

Kurzer Exkurs in die Theorie und Geschichte der „Gothic Novel“

All diese Elemente stammen aus dem späten 18. Jahrhundert, als die „gothic novel“ (auf Deutsch: „Schauerroman“) ihren ersten großen Hype erlebte. Genauer gesagt, handelt es sich um beliebte Elemente der „female gothic novel“, als deren Erfinderin die Britin Ann Radcliffe gilt.

In der weiblichen „gothic novel“ (z.B. The Romance of the Forest von Ann Radcliffe) stehen spezifisch weibliche Konflikte im Mittelpunkt. Es geht immer um eine Protagonistin, die vor der Unterdrückung durch einen männlichen Einfluss fliehen muss, z.B. dem bösartigen Vater oder Onkel. Auf der Flucht ist sie übernatürlichen Erlebnissen ausgesetzt, die aber nicht selten später logisch erklärt werden.(Die Stimme in der Dunkelheit war dann der Diener, nicht der Geist des Vaters o.ä.) Am Ende steht die gereifte Heldin, die sich nicht mehr so leicht vom (imaginierten) Horror in ihrer Umgebung einschüchtern lässt. Die „female gothic novel“ rückt also ganz reale Bedrohungen wie häusliche Gewalt in den Fokus, während sie für den übernatürlichen Horror eine rationale Erklärung findet.

Nach dem Hype um 1790 herum wurde es zunächst still um die „gothic novel“ in Großbritannien, sie kehrte aber in den 1840ern (und auch später) mit den Romanen der Brontë-Schwestern zurück. In Jane Eyre zeigen sich ebenfalls viele Elemente der „female gothic novel“, freilich subtiler als im klassischen Schauerroman. 

Spannung und Horror bei Rebecca

An diese Tradition knüpft nun auch Rebecca an. Die namenlose junge Heldin des Romans, für ihr Alter noch sehr naiv, heiratet einen 20 Jahre älteren Mann, Maxim de Winter. Er ist Witwer, seine Frau ist vor einem Jahr bei einem Unfall gestorben. Er erscheint ihr verschlossen, nimmt sie aber auch unter seine Fittiche wie eine Vaterfigur. Maxim führt sie in seinem prächtigen Landsitz Manderley an der Küste von Cornwall ein. Dort fühlt sie sich mehr und mehr vom „Geist“ der ersten – und scheinbar perfekten – Ehefrau ihres Mannes, Rebecca, verfolgt. Diese Vorstellung wird vor allem vom Verhalten der unheimlichen Haushälterin Mrs. Danvers befeuert, die ihrer verstorbenen Herrin noch immer hörig ist.

Die Protagonistin sieht in allem eine Bestätigung, dass das Herrenhaus Manderley und seine Bediensteten eigentlich noch von Rebecca beherrscht werden, und dass ihr Mann Maxim immer noch Rebecca liebt.  Das halte ich für eine sehr clevere moderne, psychologische Abwandlung des klassischen Geistermotivs aus der „gothic novel“. Die Heldin stellt sich ganz deutlich vor, dass Rebecca sie beobachtet und ihr den Tod wünscht, weil sie ihren Platz eingenommen hat. Rebeccas „Geist“ übernimmt eine ganz ähnliche Aufgabe wie bei der originalen „gothic novel“, existiert aber nur in der fieberhaften Vorstellung der Heldin. Die „Wiedergängerin“ Rebecca sucht die Heldin heim, um sich zurückzuholen, was sie ihr widerrechtlich genommen hat.

Den Leser*innen ist aber die meiste Zeit klar, dass es sich bei der alles überschattenden Macht der toten Rebecca um eine Eifersuchtsfantasie der unsicheren Heldin handelt. Trotzdem lädt dieser psychologische Horror zum Mitfiebern ein, weil man eben doch die Heldin, den „Underdog“ in der Geschichte, anfeuert. Der Horror treibt den Plot voran.

Zur Paranoia der Heldin gehört auch ihr Gefühl, in ihrem eigenen Haus, dem beeindruckenden Manderley, eingesperrt zu sein – ebenfalls eine Anleihe an den Schauerroman nach dem Muster Ann Radcliffes. Dazu kommt eine weitere moderne Abwandlung vom „female gothic“-Vorbild: das Motiv des Eingesperrtseins im übertragenen Sinne, nämlich in gesellschaftliche Vorstellungen von Geschlecht und Klasse. Die Heldin fühlt sich ungenügend. Sie kann die Rolle der perfekten Ehefrau und Hausherrin, die ihrem Mann den Rücken freihält, im Vergleich zur verstorbenen Rebecca nicht erfüllen. Das verstärkt ihren persönlichen Horror noch. Später schwenkt die Stimmung um, weg von der „Gothic Novel“. Dann kann man Rebecca auch als Krimi oder Justizdrama lesen.

Jetzt kommt allerdings das große ABER. All diese gut eingesetzten Erzählkniffe täuschen nicht darüber hinweg, wie schlecht Rebecca in vielen Beziehungen gealtert ist. Ganz vorne dabei: die Bilder von Geschlechterrollen, die der Roman transportiert.

Rebecca Buchcover historisch

Buchcover von „Rebecca“ im Laufe der Zeit

 

Schlecht gealtert? Frauenfeindlichkeit bei Rebecca
(Spoilerwarnung)

Wie sich im Roman herausstellt, war Rebecca de Winter nämlich nicht nur schön, willensstark und selbstbewusst, sie war grausam. Eine erste Ahnung davon bekommt die Heldin durch Mrs. Danvers: „She doesn’t come kindly, not she, not my lady. She was never one to stand mute and still and be wronged. ‘I’ll see them in hell, Danny’, she’d say. ‘I’ll see them in hell first. ’(…) She did what she liked, she lived as she liked.”

Das ist aber erst der Anfang – aus Maxims späterem Bericht ergibt sich ein komplett dämonisiertes Bild seiner verstorbenen Ehefrau. Der Clou des Romans ist: Maxim hatte Rebecca nicht geliebt, wovon die Heldin ausgegangen war, er hatte sie gehasst. Er beschreibt Rebecca so:

„She was vicious, damnable, rotten through and through. We never loved each other, never had one moment of happiness together. Rebecca was incapable of love, of tenderness, of decency. She was not even normal.”

Wer ein bisschen feministisches Hintergrundwissen hat, bei dem schlagen jetzt die Alarmglocken an. Hier zieht Maxim alle Register der Misogynie: Die verhasste Frau wird beschimpft. Es werden ihr alle „typisch weiblichen“ Eigenschaften wie Zärtlichkeit und Sittsamkeit abgesprochen. Und am Schluss wird noch ihre mentale Gesundheit in Zweifel gezogen.

Maxim hat auch einen Grund für seinen Hass. Rebecca verhielt sich nicht normenkonform. Sie hatte ihn aus Berechnung geheiratet. Sie wusste, er würde sich nie scheiden lassen, egal, wie sie sich verhielt, weil ihm das Ansehen seiner Familie über alles ging. Rebecca hatte Maxim jahrelang betrogen, nach außen aber die perfekte Ehefrau gespielt, die auf Manderley rauschende Feste gibt. Das hatte sein Stolz nur schwer ertragen. Als sie ihm mitteilte, sie sei schwanger, und er würde niemals beweisen können, dass das Kind nicht seines sei, hatte er Rebecca – *Trommelwirbel* – im Affekt erschossen. Danach hatte er ihren Tod als Segelunfall inszeniert.

Bei diesem Geständnis gibt sich der Roman alle Mühe, Maxim als gequältes Opfer einer hinterhältigen Frau darzustellen. Alles ergibt jetzt für die Heldin Sinn: wie ihr Mann nie über Rebecca sprechen wollte, seine Verschlossenheit, sein offensichtliches Unglück.

Was jedoch bedacht werden sollte: Wir haben nur Maxims Beschreibungen von Rebecca. Sie ist für ihn das personifizierte Böse, weil sie stärker war als er, ihn und sein Ansehen ausgenutzt hat, um heimlich tun zu können, was sie wollte. Sie war das Gegenteil der aufopfernden Ehefrau. Seine Enttäuschung darüber verzerren seine Wahrnehmung von ihr. Rebecca musste aus seiner Sicht bestraft werden, weil sie sich dem Idealbild der (Ehe-)Frau erfolgreich entzog.

Aus dem edel leidenden Maxim wird bei genauerer Betrachtung also ein typischer Vertreter des Patriarchats, der die Grenzüberschreitung seiner Frau prompt mit dem Tod bestrafte. Zudem – und das wird im Roman kein einziges Mal kritisiert – zieht er aus Egoismus eine junge, unwissende Frau mit hinein in seine Misere. Maxim weiß, dass der fingierte Unfalltod Rebeccas früher oder später ans Licht kommen muss und er dann dafür die Todesstrafe bekommen wird. Aber das hält ihn nicht davon ab, vorher noch eine Frau zu heiraten, die halb so alt ist wie er, kein eigenes Vermögen hat und ihm vollkommen ausgeliefert ist.

Sexistische Machtvorstellungen zwischen Mann und Frau

Fast das Schlimmste an dieser Szene ist jedoch, und hier sehe ich fast die stärkste Misogynie: Auf die Heldin macht das Mordgeständnis ihres Mannes keinerlei Eindruck. Sie ist keinen Moment geschockt, hat keine Angst vor ihm. Sie hält weiter zu ihm, was seine Tat indirekt entschuldigt.

Nein, das einzige, was sich die Heldin bei Maxims Geständnis denkt, ist: „None of the things he had told me mattered to me at all. I clung to one thing only, and repeated it to myself, over and over again. Maxim did not love Rebecca. … My heart was light like a feather floating in the air. He had never loved Rebecca.”

Erst jetzt kann sich die Heldin frei fühlen, und nicht nur das: Sie wird über Nacht erwachsen, sie wird selbstbewusst, kann jetzt die Rolle der Hausherrin erfüllen. Zudem beschließt sie, für den Freispruch ihres Mannes zu kämpfen: „I was not afraid. I would fight for Maxim. I would lie and perjure and swear, I would blaspheme and pray. Rebecca hat not won.”

Anders gesagt: Die Machtverhältnisse kippen jetzt komplett ins Gegenteil um. War die Heldin bis zu dieser Stelle von ihrem Mann abhängig, so abhängig wie ein Kleinkind von seinem Vater sein kann, so ist er jetzt der Schwache, weil er sich durch sein Geständnis in ihre Macht begeben hat. Sie kann sich nur in seiner Schwäche stark fühlen, sie „braucht“ diese Macht über ihn, um selbstbewusst zu sein. Das Bild, das hier von der idealen Ehefrau gezeichnet wird, ist ekelerregend. Denn es suggeriert ja, dass Frauen immer erst diese Macht über ihre Männer brauchen, um dann hinterher ihren Teil des „Handels“ zu erfüllen, nämlich, sich selbstlos aufzuopfern. Das macht die Heldin zu einer weiteren Vertreterin eines misogynen Klischees, das hier neben der bösen „femme fatale“ mit Rebeccas Figur bedient wird.

Ob Rebecca trotzdem eine Romanze ist, wie heute an vielen Stellen diskutiert wird? Aus der Sicht der Heldin sicher. Freilich eine verdrehte Romanze, bei dem die Heldin sich für einen egoistischen Mörder einsetzt, nur, weil er einmal ihr gegenüber Schwäche gezeigt und um Mitleid geheischt hat. Dass sie darauf eingeht, bestätigt das frauenfeindliche Geschlechterbild der Zeit.

Was hat Hitchcock aus Rebecca gemacht?

Die Hitchcock-Verfilmung zu Rebecca von 1940 ist zu Recht für ihren atmosphärischen Grusel bekannt. Zwar wird die Naivität der Heldin und die abschätzige „Vater-Tochter-Beziehung“ zwischen den Protagonisten für meinen Geschmack etwas übertrieben. Joan Fontaine spielt die verzweifelte zweite Mrs. De Winter aber sehr überzeugend. Noch stärker im Gedächtnis haften bleibt die gruselige Interpretation von Mrs. Danvers, gespielt von Judith Anderson. Ihre Darstellung (mit starrem Gesichtsausdruck, fast nie blinzelnd usw.) trifft die Buchvorlage sehr gut. Dazu kommt eine homoerotische Komponente. Wie Mrs. Danvers das hauchdünne Negligée ihrer verstorbenen Herrin streichelt, gibt ihrer Besessenheit noch eine zweite Bedeutung, die zwar vielleicht nicht so vorgesehen war, aber gut passt. Allerdings bringt sich Mrs. Danvers in dieser Adaption am Ende um – im Buch verschwindet sie einfach. Sind geistige Zerrüttung und Selbstmord die „Strafe“ für ihre mutmaßliche lesbische Beziehung zu ihrer Herrin?

Die Hitchcock-Verfilmung hält sich sehr genau an die Buchvorlage. Es gibt einen Unterschied: Maxim tötete Rebecca hier nur aus Versehen. Für die damalige Gesellschaft war die Darstellung eines Mörders, der hinterher freikommt, für das Massenmedium Film zu anstößig. Damit geraten allerdings beide Protagonisten sympathischer als im Buch. Maxim ist natürlich immer noch im Kern der Familienpatriarch, der durch Totschlag seine ungehorsame Frau bestraft. Aber so wird wenigstens begreiflicher, warum sich die Heldin nicht über die Tat ihres Mannes empört.

Die aktuellste Filmversion von Rebecca von 2020

Wie zu erwarten war, nimmt die aktuelle Rebecca-Verfilmung von Ben Wheatley, die seit Oktober 2020 auf Netflix zu streamen ist, einige Modernisierungsversuche vor. Es gibt zum Beispiel deutlich explizitere Liebesszenen und die Umgangsformen der Figuren untereinander sind eher an moderne Sehgewohnheiten angepasst. Wer ein „authentisches“ Sittenbild aus den 30er Jahren erwartet, wird enttäuscht, aber das war ja auch nicht Zweck des Films. Positiv fällt auf, dass die Heldin (Lily James) deutlich weniger naiv gezeichnet wird als in der Buchvorlage und die Paarbeziehung zwischen ihr und Maxim de Winter (Armie Hammer) viel mehr auf Augenhöhe stattfindet. Auch der Altersunterschied zwischen den Liebenden ist auf etwa zehn Jahre geschrumpft.

Leider unterscheidet sich aber auch Mrs. Danvers (Kristin Scott Thomas) deutlich von der Buchvorlage. Sie ist weniger das Hausgespenst, als die selbstbewusste Intrigantin im Plot. So geht einiges am Grusel aus dem Roman verloren. Auch die Heldin lässt sich weniger von Mrs. Danvers einschüchtern, versucht sogar an einem Punkt, sie aus dem Haus zu werfen. Die Machtverhältnisse zwischen den beiden Frauenfiguren sind einfach deutlich verschoben, sodass die Horror-Stimmung aus dem Roman nicht so richtig entstehen kann. Denn die Heldin lässt sich im Roman ja gerade von der Haushälterin bereitwillig in Eifersuchtsfantasien über ihre Vorgängerin treiben.

Maxim bleibt in diesem Film ein Mörder – wobei man sich nun erst recht fragen muss, warum die Heldin bei ihm bleibt, da sie doch um Einiges selbstbewusster dargestellt wird als im Buch.

Fazit – was bleibt vom Rebecca-Hype?

Rebecca hat als spannend und suggestiv geschriebener Mystery-Thriller natürlich seine Berechtigung und eignet sich hervorragend für Filmadaptionen (eine moderne Serienadaption fehlt jetzt noch!). Für moderne Leser*innen dürften die im Roman dargestellten sexistischen Machtverhältnisse und vor allem die misogynen Frauendarstellungen aber eher schwer verdaulich sein. Ich für meinen Teil fiebere heute (im Gegensatz zum Leseerlebnis mit 18) nicht mehr mit der Heldin mit, sondern mit der „Überfrau“ Rebecca, die sich eben einfach genommen hat, was sie vom Leben bekommen konnte, und nichts auf Rollenideale gegeben hat.

Dass im Roman irgendeine Kritik am Patriarchat stattfinden würde (worüber heute manchmal diskutiert wird), sehe ich nicht. Die einzige Kritik geschieht vielleicht ein bisschen über die Verzweiflung der Heldin, die an den übermäßigen Rollenanforderungen an sie scheitert. Aber da wir die Handlung eben ausschließlich über die Ich-Perspektive der Heldin geschildert bekommen, die keine Kritik an Maxims „Selbstjustiz“ und der Dämonisierung Rebeccas übt, wird daran auch keine Kritik deutlich. Stattdessen sehen wir nur die hinterhältige Rebecca und den leidenden Maxim und dazu noch die Heldin, die sich erst glücklich fühlen kann, nachdem klar wird, dass ihre Nebenbuhlerin nie von Maxim geliebt wurde. Das hinterlässt einen deutlich schalen Nachgeschmack beim Lesen.

Habt ihr Rebecca gelesen oder eine Verfilmung angeschaut? Wie ist eure Sicht auf die dargestellten Frauenfiguren?

Lest außerdem meine weiteren Artikel aus der „Frauenklassiker“-Reihe: Zum Beispiel zu Frühstück bei Tiffany oder der Bridget Jones-Filmreihe.

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10 Kommentare

  1. Inger Detlefsen 18. Juni 2022

    Hallo Sabine,
    Ich bin inzwischen über 70 und so weit ich mich erinnere, habe ich den Stoff zuerst in Form des Hitchkock-Films kennengelernt, als Teenagerin in den 60ern im Fernsehen. Erst später habe ich begriffen, dass er auf einem Roman beruht. Derzeit beschäftige ich mich mit diversen Hörbuch-Versionen; in ungekürzter Version gar nicht so leicht zu beschaffen.

    Einige Anmerkungen.

    1.
    Ja, der Roman Rebecca ist aus heutiger Sicht „furchtbar“, und dennoch verfängt die Geschichte als spannend, athmosphärisch und in vielen Passagen als unterhaltsam, z.B. auch was die Charakterisierung der Mrs. Van Hopper betrifft.
    Ja, das Bild der eigenständigen Frauen erscheint verzerrt und unsympathisch, sie werden geradezu dämonisiert, wie du schreibst. Ich möchte dazu bemerken, dass m.E. beide, sowohl Rebecca als auch Maxim in ihrem Gefühlsleben beschädigt waren von Konventionen, Moralvorstellungen, (finanziellen) Abhängigkeiten und Erziehung innerhalb ihrer Klasse. Auch Rebecca war nicht wirklich frei, denn dann wäre sie ja nicht eine Ehe eingegangen, um den Partner auszunutzen. Deshalb finde ich auch nicht, dass man sie als „stark“ betrachten kann. Selbst wenn es stimmt, dass wir sie nur aus Maxims Beschreibung kennen, so bleibt doch die Tatsache, dass sie zahlreiche andere Beziehungen hatte, mit denen ihr Mann SO nicht einverstanden war, und folglich hätte SIE sich scheiden lassen müssen/können…
    Hinzu kommt der homoerotische Aspekt. Ich sehe inzwischen Maxims Bemerkung, dass Rebecca „not normal“ war als Hinweis auf lesbisch sein. Seine dunklen Andeutungen über ihren Charakter, (vice, vicous) Gipfeln in der Bemerkung, dass sie ihm so furchtbare Dinge über sich selbst anvertraut hätte, dass er sie gegenüber absolut niemandem laut zu wiederholen vermag. Das löst natürlich wilde Spekulationen über alles mögliche aus, aber es könnte sein, dass damit einfach gleichgeschlechtliche Beziehungen bzw. erotisch/sexuelles Interesse am eigenen Geschlecht gemeint war. Das war mal (und ist für viele Leute immer noch) derartig schambesetzt, dass man sich vorstellen kann, daß jemand wie Maxim de Winter nicht in der Lage war „to speak it out aloud“. Da über Rebeccas „dunklen“ Lebenswandel sonst nichts bekannt ist als dass sie viele Beziehungen zu Leuten hatte, die Maxim suspekt waren, steht zu vermuten, dass darunter auch Frauen waren.
    Andererseits geht aus den Schilddrungen von Mrs. Danvers hervor, dass sie Beziehungen zu Männern unterhielt, nur um sich über diese lustig zu machen, und so könnte man zu der Einschätzung kommen, dass sich Rebecca gerade NICHT so weit befreit hatte, dass sie ihre eigenen homoerotischen Neigungen akzeptieren konnte.
    Ich jedenfalls kann mich mit ihr nicht identifizieren. Schon gar nicht im Sinne einer eigenständigen, freien Frau, die ihr Leben selbst bestimmt und Liebesbeziehungen auf Augenhöhe eingehen kann, ob zu Männern oder zu Frauen.
    Auch ich sehe darin eine Parallelle zu DdM selbst, die zwar eine erfolgreiche, eigenständige und erfinderische Schriftstellerin war, aber diese Rolle nicht mit ihrem Leben als Ehefrau und Mutter vereinbaren konnte. Was immer noch nicht leicht ist, zur damaligen Zeit aber sicherlich ein besonders schwieriges Unterfangen. Und dann kam wohl noch die Liebe zu Frauen hinzu, laut Darstellungen von Biograf*innen.
    Was mich insgesamt nicht wundert auf dem Hintergrund der sozialen Rollenerwartung an Frauen.

    2.
    Ich sehe eine starke Parallelle zu Jane Eyre und dem Paar
    JE und Mr. Rochester:
    Junge, gebildete „unschuldige“ Guvernante trifft auf wesentlich älteren, ruhelos unherwandernden reichen Mann aus dem Landadel, der gezeichnet ist von einer äußerst unglücklichen Ehe, aus der er nicht heraus kommt.
    Ehefrau ist „wild“, unzivilisiert, auch sie hat ihn in mehrfacher Hinsicht betrogen. Er ist zu „edel“ um sich scheiden zu lassen, weil sie inzwischen (geistes)krank ist.
    Es wird impliziert, dass eine Scheidung unmöglich ist wegen des Skandals.
    – Altersunterschied ist ähnlich
    – Ein Feuer führt zur Vernichtung des Herrensitzes, diesmal von der kranken Frau angezündet.
    – Die Erfüllung der Ehe mit Jane geschieht in ähnlicher Weise wie bei den de Winters, nämlich im Dienst der Frau an dem durch eine dramatische Rettungsaktion während des Feuers invalidierten Mann.
    Der Mann hat in beiden Fällen vergeblich versucht, seinen Quälgeist (die Brandstifterin) vor dem Feuer zu retten.
    – Erst durch die körperliche Invalidierung des Mannes geraten die Eheleute auf Augenhöhe.
    – Beide Ehefrauen werden als „nicht normal“ dargestellt, was zweifellos zu einer verzerrten Sicht auf weibliche Lebensentwürfe führt, andererseits aber auch Neugier weckt.

    3.
    In den 60ern habe ich mich stark mit der jungen Heldin identifiziert in ihrer Rolle als Underdog und unsicher gegenüber Männern, die Macht haben.
    Mir hat gefallen, dass der zunächst als überlegen dargestellte Mann sich letztlich als verletzlich und bedürftig herausstellte. Wodurch sich der Rollentausch ergab, erschien zweitrangig. Zumal es im Film kein Mord, sondern Totschlag war. Laut Maxims Erklärung war es auch im Roman Mord im Affekt, würde ich sagen, wenngleich man auch niedere Motive wie Verlust an Ansehen durch eine Scheidung feststellen muss (nach damaligen Moralvorstellungen, und besonders für Leute aus dieser Gesellschaftsklasse. In Adelskreisen ist eine Scheidung ja heute noch ein Problem, wenn auch nicht mehr so „unmöglich“).

    Insgesamt bin ich heute traurig darüber, dass uns jungen Frauen in den 60ern (und vorher meiner großen Schwester in den 50ern) keine anderen Rollenmodelle angeboten wurden, bzw. dass solche Geschichten aus dem Fernsehen, die einen gefangen genommen haben, zu so fragwürdigen Identifikationen geführt haben.
    Stärke und Schwäche, Macht und Ohnmacht sind Grundbedingungen des menschlichen Lebens an sich, werden zudem vom Klassenaspekt überlagert, und dürfen nicht einseitig den verschiedenen Geschlechtern zugeschrieben werden.
    Inger

    Antworten
    1. Sabine 25. Juli 2022

      Hallo Inger,

      wow danke für deinen ausführlichen Kommentar!
      Zu 1.: Natürlich kann man Rebeccas Figur mit Hinsicht auf damals herrschende Genderrollen nicht wirklich als „frei“ bezeichnen. Aber im Plot wird zumindest angedeutet, dass sie sich die in ihren Grenzen größtmögliche Freiheit nimmt, die sie erreichen kann – in ihrem Falle wäre das, einen naiven Mann heiraten und ihn dann auszunutzen.
      Zur Interpretation, Maxims Bezeichnung „not normal“ wäre eine Chiffre für Rebeccas (unterdrückte) Homosexualität: Sicher, das kann man so deuten. (Wird ja auch von Hitchcock so weiter geführt.) Und in dem Lichte wäre Rebecca nicht „frei“, weil sie ihre Sexualität unterdrücken muss. Ziel dieser Analyse war ja aber auch nie, zu beweisen, dass Rebecca die einzig „freie“ Frauenfigur des Romans sei.
      Da Rebecca als Soziopathin gezeichnet wird, identifiziere ich mich natürlich auch nicht mit ihr. Aber sie ist bei Weitem die Figur für mich, die am meisten „Jubel“ verdient hat, weil sie sich eben nichts sagen lässt und zumindest versucht, gegen das Patriarchat anzukämpfen. Klar bleibt sie trotzdem super unsympathisch.
      2. Mit den Parallelen zu „Jane Eyre“ hast du natürlich vollkommen Recht. Das Thema würde einen eigenen Artikel verdienen.
      3. Ja, man kann es als Mord im Affekt sehen, aber das macht es ja nicht entschuldbar. Das zeigt ja nur die patriarchale Grundhaltung, dass jede vom Mann so interpretierte Grenzüberschreitung sofort mit Gewalt geahndet werden muss. Typische Eskalation von häuslicher Gewalt, würde ich sagen.
      „Stärke und Schwäche nicht nur als Aspekt von Geschlecht“: Natürlich. Es sind immer Mehrfachbestimmungen und -diskriminierungen. Von Rassismus habe ich ja noch gar nicht angefangen, das wäre dann für Bertha Rochester relevant, die als „Kreolin“ in „Jane Eyre“ als „wildes Tier“ dargestellt wird.
      Aber auf meinem Blog geht es ja vornehmlich um Genderdynamiken in der Popkultur, daher war mir dieser Aspekt am wichtigsten.

      Antworten
  2. Yvonne Tunnat 4. Januar 2021

    Moin,
    ich habe den Roman am Wochenende ausgelesen und bin total begeistert davon.
    Ja, ich habe mich auch an einer Stelle gewundert. Als Maxim seiner neuen Frau den Mord gesteht, war ich mir absolut sicher, dass das nun das Ende der Beziehung ist. Ich war sehr verwundert, als sie weiterhin zu ihm gehalten hat. Aber der Roman ist so dermaßen gut geschrieben, dass ich das geschluckt und akzeptiert habe.
    Rebecca finde ich als Figur nicht sympathisch. Klar, es ist gut, wenn man sich über Rollenklischees hinwegsetzt. Aber laut Mrs Danvers hat sie ja keinen Respekt vor niemandem gehabt – irgendwie fand ich das schon sehr egozentrisch und krass.
    Die Ich-Erzählerin ist sehr gefangen in ihrer Schüchternheit und Unsicherheit. Das habe ich aber gar nicht auf ihr Frausein bezogen, sondern darauf, dass es für sie alles so fremd war. Das Haus. Die Position. Die Ehe. Die Tatsache, die zweite Frau zu sein.
    Fand ich mega überzeugend.
    Aber klar: Feministisch finde ich den Roman nicht.
    Sexismus ist mir so beim Lesen nicht aufgefallen. Das wird mir erst beim Lesen deines Reviews klar.
    Liebe Grüße, Yvonne

    Antworten
  3. Ute 2. Januar 2021

    Danke für diese stechende Analyse! Du hast vermutlich mit allem Recht (ich habe Rebecca noch nicht gelesen, kenne nur den Film.) es ist das gleiche Dilemma wie mit den meisten, meist von Männern geschriebenen Klassikern – sie halten modernen Rollenvorstellungen überhaupt nicht mehr stand. Wie geht man damit jetzt um?

    Ich denke, es ist wichtig, Kritik zu üben und Diskriminierung zu entlarven. Aber irgendwie muss man auch versuchen, das weiter wertzuschätzen, was diese Klassiker so beliebt und berühmt gemacht hat, uns da war/ist ja was?

    Man muss sie, glaub ich, zweimal beurteilen: aus heutiger Sicht, und aus damaliger Sicht. Und dann auf die Elemente gucken, die heute noch wertvoll und bewundernswert sind.

    Alles sehr schwierig, und du hast das gut versucht. Ich wünsche mir weitere solcher Analysen vom dir!

    LG,
    Ute

    Antworten
  4. Janna | KeJasWortrausch 2. Januar 2021

    Huhu meine Feine und zunächst ein begeistertes Lob, ein so gelungener Beitrag!!

    Nun muss ich gestehen, „Rebecca“ erst im vergangenen Jahr – begeistert wohl bemerkt – gehört zu haben. Aber ich hangel mich erst mal an deinen Worten lang und muss gestehen, das ich mit den Geschlechterrollen nicht so aneckte, da ich die Zeit, in der das Buch spielt, im Hinterkopf hatte. Macht es natürlich nicht besser, das steht außer Frage, aber dann bin ich nicht so kritisch – weißt du wie ich es meine? Natürlich ist die Darstellung von Rebecca, gerade nach den Worten von Maxim, ein grauenhaftes Bild von ihr, wobei ich jedoch gestehen muss, mich nicht als Frau angegriffen gefühlt zu haben. Natürlich, wenn ich mit einem feministischen Blick auf die Geschichte blicke, kann ich dir nicht widersprechen, habe ich jedoch beim Hören nicht so aufgefasst.
    Wo ich dir absolut zustimme und auch aneckte, war die Reaktion der Protagonistin auf Maxims Geständnis, absolutes Verständnis und mitziehen. Dies jedoch trübte nicht stark genug mein Gesamteindruck. Lag es am Hörbuchformat? Bin ich zu un-sensibilisiert? Ich weiß es nicht, aber ich finde deine Skizzierung der Geschichte mit kritischem Blick absolut nachvollziehbar und gelungen in Worte gefasst! Besonders was die Wandlung der Protagonist betrifft. Mit einem fokussierteren Blick hätte ich vielleicht auch mehr Kritik an der Geschichte gehabt, ich weiß es nicht, als Hörbuch habe ich mich berieseln und von der Atmosphäre ehrlich gesagt gefangen nehmen lassen.

    Die Hitchock-Verfilmung kenne ich nicht, werde sie wohl aber noch schauen. Die Neuverfilmung ist grauenhaft!

    Antworten
    1. Sabine 2. Januar 2021

      Hey Janna,
      danke! 🙂 Ja, das ist quasi das „Berufsrisiko“: Wenn man einmal mit dem feministischen Blick anfängt, kann man den nicht mehr abstellen. You can’t unsee it 😉 Bei meinem ersten Lesen vor Jahren ist mir das alles auch noch nicht aufgefallen, jetzt ist es mir aber förmlich ins Gesicht gesprungen. Die schlimmsten Sachen hab ich ja noch gar nicht zitiert – zB wie Maxim Rebecca als „sexuell unersättlich“ beschreibt, die sich aus Spaß an jeden Mann ranmacht. Und dass am Ende von ihrem Arzt extra noch erwähnt wird, dass ihre Gebärmutter „unnormal“ geformt war, sie also nie hätte Kinder bekommen können – einfach nur, um noch mal ganz deutlich zu machen, dass Rebecca WIRKLICH keine Frau, sondern ein Monster war. Ich habe selten so dick aufgetragene Frauenfeindlichkeit erlebt, es war schon fast unfreiwillig komisch, wenn man einmal den Blick dafür trainiert hat.
      Klar ist es auch völlig legitim, so ein Buch einfach als (nostalgischen) Horror-Thriller zu lesen, gut geschrieben ist es ja auf jeden Fall! Man hätte nur hier und da an den Naturbeschreibungen kürzen können * Hüstel *
      Die Hitchcock-Verfilmung lohnt sich auf jeden Fall! Ach, ich fand die Neuverfilmung gar nicht so katastrophal, ich fand es im Gegenteil ganz erfrischend, dass die Heldin nicht ganz so naiv-kindlich ist. Nur dass Mrs. Danvers halt so gar nicht funktioniert und dadurch auch viel weniger Grusel aufkommt, ist halt schade.
      Danke für deinen Kommentar!

      Antworten
  5. Sabine 31. Dezember 2020

    Sehr spannende Sichtweise, auf einen Roman den ich ebenfalls vor vielen Jahren sehr gerne gelesen habe. Ich vermute, dass du Mauriers eigene Biografie das Buch zumindest teilweise beeinflusst hat. Sie hatte massive Schwierigkeiten mit ihrer lesbischen Seite, hat sich für ihre Tendenzen regelrecht gehasst und einiges davon ist vermutlich auch in ihre Romane geflossen.
    Gute Gelegenheit die Biografie mal wieder rauszuholen. Vielen Dank auf jeden Fall für diesen überaus spannenden Artikel. Liebe Grüße Sabine

    Antworten
    1. Sabine 2. Januar 2021

      Hey Sabine,
      du meinst, weil Du Maurier ihre homoerotischen Gefühle für Frauen gehasst hat, hat sie stellvertretend auch Frauen „gehasst“ oder zumindest in ihren Texten negativ dargestellt? Das kann schon sein, da würde ich mich aber jetzt nicht reinversteigen. Ich glaube, man vergisst einfach oft, wie viel misogyner die Gesellschaft bis vor gar nicht langer Zeit war und dieser inhalierte Frauenhass wurde natürlich auch von Frauen übernommen bzw. dann mehr oder weniger deutlich weitergegeben. Das ist ja auch heute nichts Neues, dass auch Autorinnen Plots oder Figuren entwerfen, die sexistisch oder misogyn sind, siehe diese ganze „Bad Boy“-Trope, Belästigung ist voll romantisch usw.
      Aber Du Mauriers Biographie ist sicher sehr spannend! Ich wär da nur vorsichtig mit Rückschlüssen auf ihr Werk.
      Danke für deinen Kommentar!

      Antworten
  6. Marion // schiefgelesen 30. Dezember 2020

    Danke für die ausführlich und, wie ich finde, sehr treffende Analyse.
    Rebecca kannte ich als Film aus meiner Jugend und habe den Roman das erste mal vor etwa zwei Jahren gelesen. Ich glaube, dass er da gerade auch in Emma Watsons Buchclub gelesen wurde, was meine Lesart sicher beeinflusst hat. Ich fand die Auflösung ganz furchtbar. Zum einen, weil Rebecca ja eigentlich die Schuld an der eigenen Ermordung gegeben wird, sowohl aufgrund ihres Lebensstils als auch wegen ihrer provozierenden und nicht nachprüfbaren Lüge, von einem anderen schwanger zu sein. Wurde ihr nicht sogar eine Affäre mit ihrem Cousin nachgesagt? Gerüchte um inzestuöse Beziehungen haben ja schon Königinnen zu Fall gebracht. Dann ist ja aber auch der halbe Ort bereit, den Mord zu vertuschen. Es ist ja schon wenige Tage nach ihrem Tod klar, dass da irgendwas nicht stimmt, aber mit dem Hause Manderley will es sich dann auch niemand verscherzen. Am krassesten fand ich aber die Reaktion der Protagonistin, die ja tatsächlich erleichtert ist, dass es „nur“ ein Mord ist, der auf Maxims Gewissen lastet und nicht, wie sie befürchtet hat, Trauer um seine tote Frau. Gott sei Dank, er liebt sie nicht mehr, er hat sie umgebracht.
    Wie Rebecca nun wirklich war, wird man wohl nicht mehr erfahren. Irgendwo zwischen Maxims Dämonisierung und Mrs. Denvers Vergötterung, nehme ich an.

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    1. Sabine 2. Januar 2021

      Hallo Marion,
      danke! 🙂 Ja, genau, mit dem Mr. Favell soll sie auch eine Affäre gehabt haben (behauptet er zumindest im Nachhinein) und klar, vermuteter Inzest ist dann nochmal skandalöser (obwohl es damals auch nicht unüblich war, wenn Cousin und Cousine geheiratet haben – vielleicht war das in den 1930ern aber auch schon nicht mehr so gängig wie z.B. im Viktorianischen Zeitalter).
      Bei deiner Vermutung mit dem vertuschten Mord bin ich nicht so sicher – denn Maxim meint ja, dass Rebecca eine meisterhafte Manipulatorin war. Dh jeder hielt sie für das reizendste, selbstloseste Geschöpf aller Zeiten, und niemand vermutete, dass Maxim einen Grund gehabt hätte, seine Frau umzubringen. Eine bewusste „Komplizenschaft“ mit Maxim schließe ich daher eher aus. Ich denke eher, dass alle so geschockt über den „Unfall“ waren, dass sie nicht so genau darüber nachgedacht haben, ob Maxims Geschichte plausibel ist oder nicht bzw. so eine alte Adelsfamilie hat natürlich Macht und man stellt deren Autorität nicht in Frage.
      Deine letzte Bemerkung ist interessant – denn wenn man darüber nachdenkt, decken sich diese beiden Bilder, nur werden sie vom jeweiligen Sprecher anders bewertet. Mrs. Danvers hat die Rücksichtslosigkeit ihrer Herrin „gefeiert“ und Maxim hat seine Frau verteufelt. Eigentlich ganz witzig.
      Danke für deinen Kommentar!

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