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„Shadow and Bone“ setzt auf eine gestärkte Serienheldin

Seit dem 23. April könnt ihr Shadow and Bone auf Netflix streamen, eine Serienadaption der bekannten „Grishaverse“-Bücher der israelisch-amerikanischen Autorin Leigh Bardugo. Die Herausforderung war, zwei verschiedene Buchreihen plottechnisch miteinander zu verschmelzen. Vor allem da liegen die Schwächen der Serie. Andere Abweichungen von den Büchern funktionieren aber gut. Da ist vor allem die feministischere Darstellung der Heldin Alina Starkov zu nennen.

Shadow and Bone Serienlogo und Buchcover

Wer noch nicht seit 2012 auf dem Hype mitschwimmt (trifft auch auf mich zu), für den sind die folgenden Zeilen zur Erklärung vorangeschickt ? : Shadow and Bone ist der Name einer Fantasy-Trilogie, die von 2012 bis 2014 im Original auf Englisch veröffentlicht wurde. Auf Deutsch folgte die Übersetzung der Reihe als Legenden der Grisha. Danach veröffentlichte Bardugo die Six of Crows-Dilogie (auf Deutsch: Das Lied der Krähen), eine Reihe, die in der gleichen fiktiven Welt spielt wie Shadow and Bone, allerdings in einer anderen Gegend und zeitlich nachgelagert.

Kurzer Abriss zu den Buchvorlagen Shadow and Bone und Six of Crows

Durch die Promo für die Serienadaption wurde ich erneut auf diese beiden Reihen aufmerksam. Shadow and Bone entpuppte sich für mich als relativ konventionelle Fantasy mit Romantik-Anklängen (auch: Romantasy): Es geht um eine junge auserwählte Heldin namens Alina Starkov, die entdeckt, dass sie magische Fähigkeiten hat und jetzt als „Retterin“ ihres Landes angesehen wird. Denn es gibt eine Schattenmauer in Ravka (einer Art fiktives Russland des 18. Jahrhunderts), die sich quer durch das Land zieht und von Monstern bewohnt wird. Da sie die Fähigkeit hat, Licht zu sich zu rufen, könnte sie es schaffen, diese Schattenmauer (im Original: „shadow fold“) zu zerstören. Zu dieser Grundkonstellation gesellen sich noch zwei Liebeskonflikte. Denn Alina ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Kindheitsfreund Mal, in den sie seit Langem heimlich verliebt ist, und ihrem Mentor, einem charismatischen Magier und Anführer aller Grisha (Menschen mit magischen Fähigkeiten) in Ravka, der nur „the Darkling“ genannt wird.

Dazu noch eine Bemerkung: Zum Glück entwickelt sich Alina als Heldin im zweiten Teil der Reihe, Siege and Storm, weiter. Sie selbst ist erwachsener und damit werden es auch ihre Konflikte. Daher habe ich die Reihe gerne zu Ende gelesen. Bardugos Stärke liegt neben ihren interessanten Figurenbeziehungen außerdem ganz klar in ihrem sorgfältigen Worldbuilding. Sie braucht sich, was das angeht, hinter Fantasy-Größen wie George R. R. Martin sicher nicht zu verstecken.

In Six of Crows ist die Erzählweise komplexer. Anstatt einer Erzählerin in der Ich-Perspektive gibt es sechs erzählende Figuren. Der Roman spielt in Ketterdam, angelehnt an ein Amsterdam des 18. Jahrhunderts. Helden der Geschichte sind sechs jugendliche Kleinkriminelle und Außenseiter*innen, angeführt vom undurchsichtigen Kaz Brekker. Sie sollen für die Kaufmannsgilde von Ketterdam einen Coup drehen: nämlich einen Gefangenen aus einem Hochsicherheitsgefängnis befreien, der die Formel für eine gefährliche Droge entworfen hat. Diese Droge verstärkt die Kräfte von Grisha und hat deshalb eine große militärische Relevanz für das Land, das sie besitzt.

So wurden die Plots der Bücher miteinander verbunden

Die Serie Shadow and Bone hatte nun die Aufgabe, diese beiden Handlungen miteinander zu verschmelzen. Die Six of Crows-Reihe ist noch beliebter bei den Fans als die erste Reihe um Alina Starkov. Um den Erfolg der Serie zu garantieren, wollte Netflix wahrscheinlich nicht darauf verzichten, die „Krähen“ auftauchen zu lassen. Darum entschlossen sich die Serienmacher dazu, die „Heist“-Geschichte rund um den Gefangenen (vorerst) aufzugeben und die Krähen stattdessen nach Ravka reisen zu lassen. Ihre Aufgabe ist es, Alina Starkov zu entführen. Auch in der Buchvorlage haben es verschiedene Mächte auf Alina wegen ihrer Fähigkeiten abgesehen. Daher erscheint das auf den ersten Blick als logische und smarte Lösung des Problems, die Figuren der beiden Reihen zusammenzubringen.

Shadow and Bone-Serie: Verbesserte Details, schwächelnder Plot

Es steckt sichtbar viel Mühe in vielen kleinen Details der Serienhandlung, um die Figuren der beliebten Buchvorlagen zum Leben zu erwecken. So bekommt der „Darkling“ (gespielt von Ben Barnes) eine auserzählte Vorgeschichte, die in den Romanen in der Form nicht vorkommt. Der sprunghafte Charakter des Spielers Jesper (Kit Young) wird mehr betont. Dadurch kommt er lebendiger und witziger rüber. Außerdem lebt er in der Serie ganz offen seine Homosexualität aus, diese wurde in Six of Crows ebenfalls nur angedeutet. Solche Beispiele, oder auch die aufwändige Ausstattung der Serie, und nicht zu vergessen das sorgfältige Casting, beweisen, dass hier Fans der Bücher die Serie für andere Fans gestaltet haben.

Das schwächelnde Element steckt in der Grundstruktur des Serienplots und das sehr erwartbare Problem des Zeitmanagements beim Erzählen. Wenn zwei komplexe Buchvorlagen in nur 8 Serienfolgen erzählt werden sollen, geht das zwangsläufig auf Kosten der Erzählbreite. Alinas Entwicklung wird zusammengekürzt, ja eigentlich hetzt die Serie mehr oder weniger durch die Buchvorlage Shadow and Bone. Viel zu schnell kann sie z.B. ihre Kraft beherrschen. Fast noch mehr vermisst habe ich allerdings die schillernde Abenteuergeschichte der Krähen.

Shadow and Bone und Six of Crows Buchcover

Zwar fällt die veränderte Quest der sechs Kleinkriminellen nicht brutal von der Vorlage ab. Aber die Herausforderung im Buch war eine beinahe unmögliche. Die Crows müssen im Buch nach Fjerda reisen (ein fiktives Schweden), sich dort in ein Hochsicherheitsgefängnis einschleusen und wieder zurück nach Ketterdam gelangen. Dagegen erscheint die Aufgabe, sich im Palast der Grisha einzuschleichen, zwangsläufig etwas fade. Das Ganze funktioniert noch, als es gilt, mit einer steampunkigen Lok durch den „shadow fold“ zu reisen. Danach geht es nur noch darum, Palastwachen abzulenken. Die Genialität von Kaz Brekker (Freddy Carter) als Drahtzieher und Pläneschmieder kommt viel zu wenig zum Tragen.

Außerdem war kaum Platz für die Vorgeschichten der einzelnen Crows (Inej ausgenommen). Besonders bei Kaz Brekker hat sie gefehlt, weil sie erklärt, warum er so ein interessanter Charakter ist. Wer die Buchvorlage nicht kennt, dem entgeht dann doch so Einiges.

Feministische Umdeutung von Alinas Figur

Besonders positiv hervorzuheben ist die Veränderung von Alinas Figur in der Serienadaption. Der Roman reizt das Young-Adult-Klischee der unsicheren Heldin, der jetzt plötzlich Großes bevorsteht, an manchen Stellen zu sehr aus. In den ersten Kapiteln von Shadow and Bone lernt man die Protagonistin nur über ihre Minderwertigkeitskomplexe kennen. Sie schämt sich für ihr Aussehen und schwärmt hoffnungslos für einen Typen, der sie kaum beachtet (ihren Kindheitsfreund aus dem Waisenhaus, Mal). Der Einfluss der Bestseller-Buchreihe Twilight aus den Nuller Jahren um die notorisch unsichere Heldin Bella Swan ist hier durchaus spürbar.

In der Serienadaption bewegt sich Alina (Jessie Mei Li) immer auf Augenhöhe mit Mal (Archie Renaux) und ist grundsätzlich selbstsicherer und fröhlicher gezeichnet (wobei Alinas beinahe depressiver Zustand zu Beginn des ersten Romans noch einen anderen Grund hat).

Als Alina ihre Ausbildung bei den Grisha beginnt, spielt der Darkling im Roman eine große Rolle, jedoch tritt er sehr viel unnahbarer in Erscheinung. Auch hier zeigt die Serie ganz deutlich, dass sie eine gleichberechtigte Genderdynamik bevorzugt. Während im Roman der Darkling immer die Oberhand hat, ja Alina eigentlich fast unter Kontrolle hat, kann sich die Heldin in der Serie ihm gegenüber behaupten. Sie ist es sogar, die anders als im Buch, als erste romantische Avancen macht. Für ihre kurze „Affäre“ mit dem Darkling wird Alina im Roman von Mal nur mit Eifersucht und Schuldzuweisungen konfrontiert (das nennt man Slutshaming, Mal) – auch das hat die Serie unterlassen. Hut ab dafür! Ach ja, und erinnert ihr euch an die Narbe auf Alinas Handfläche? Sogar die wird so umgedeutet, dass sie nicht mehr nur ein Zeichen von Alinas einseitiger Schwärmerei ist.

(Hier auch noch ein Twilight-Vergleich, der mir beim Lesen von Shadow and Bone aufgefallen ist: Alina wird für ihr erotisches Begehren (Beziehung zum Darkling) bestraft, während die keusche Beziehung zu Mal (ich glaube, es findet gerade mal ein Kuss statt), als DIE große, wahre Liebe dargestellt wird – ohne dass das in der Figur von Mal irgendwie begründet wird. Aber das nur am Rande.)

Von großen Konflikten zu wenig spürbar

Wenn der Roman Shadow and Bone eins schafft, dann das: die großen Konflikte der an sich schon ziemlich gebeutelten Figur Alinas fühlbar zu machen. Sie hat Angst, die einzige Familie zu verlieren, die sie je kannte, als man ihre magischen Kräfte entdeckt und sie von Mal fort muss. Sie lernt mühsam, den Teil ihrer unterdrückten Identität, den magischen Teil, zu akzeptieren. Und am Schluss kommen auch noch so die einen oder anderen heftigen Konflikte ins Spiel, als der Darkling sein wahres Gesicht enthüllt.

In der Serie? Ist viel von äußeren Konflikten die Rede, aber die inneren Konflikte Alinas werden nicht gezeigt, weil dafür einfach keine Zeit bleibt. Stattdessen gibt es in den letzten beiden Folgen z.B. eine Menge verkrampfter Dialoge mit dem Darkling, denen man die Mühe anmerkt, das Spannungsverhältnis zwischen den Figuren rüberzubringen.

Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass für die Charakterisierung des Darklings zu wenig Zeit bleibt. Er wird zu schnell zu böse, ohne dass es der Serie gelingt, ihn vorher als den charismatischen Gegner aufzubauen, der er ist.

Daran ist auch die (an sich positive) Veränderung seiner Figur schuld: Er ist menschlicher und nahbarer gezeichnet, dadurch eben auch weniger dominant-machomäßig. Aber deshalb verliert seine Figur die Fallhöhe, die sie im Buch hat. Denn besonders bedeutsam in den Büchern sind die Szenen, wenn der Darkling mal etwas von sich enthüllt, was niemand weiß, wenn er Alina (die einzige Grisha, die es mit ihm aufnehmen kann) an sich ranlässt. In der Serie ist das mehr oder weniger egal – siehe z.B. die Enthüllung seines wahren Namens, die schon nach kurzer Zeit stattfindet. Das fühlte sich schon ziemlich antiklimaktisch an.

Fazit

Die Serie macht größtenteils Spaß, wenn ich auch vom verschenkten Potential, vor allem was Kaz Brekker und die anderen Krähen angeht, des Öfteren genervt war. Wunderschön anzuschauen ist sie allemal. Wer gerne mal ins „Grishaverse“ eintauchen möchte, kann das dort gut tun – sollte sich aber bewusst sein, dass die Figuren und Konflikte in den Buchvorlagen doch deutlich fühlbarer werden. Aber wer weiß, vielleicht holt die zweite Staffel noch einiges heraus!

Auch der Blog „smalltownadventure“ hat sich mit Worldbuilding und inhaltlichen Klischees des Romans Shadow and Bone/Grischa: Goldene Flammen beschäftigt – lest hier ergänzend auch noch rein!

Noch mehr Serienanalysen gefällig? Lest, was die Netflix-Serie „Immer für dich da“ („Firefly Lane“) um eine Frauenfreundschaft richtig macht und wo sie ins Klischee abdriftet. Außerdem habe ich Tipps für feministische Serien von „Fleabag“ bis „Sex Education“ zusammengestellt.

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1 Kommentar

  1. Ascari 2. Mai 2021

    Hallo Sabine!

    Ich bin ja oft jemand, der oft durch eine TV-Serien-Ankündigung neugierig auf eine Buchvorlage wird … Ich kannte die Bücher vorher zwar dem Namen nach, aber nicht mehr. Als ich den Trailer für die Serie gesehen habe, habe ich damals überhaupt nicht verstanden, worum es eigentlich überhaupt gehen wird, das weiß ich noch ganz genau.

    Und ich muss sagen, auch jetzt hinterher – nach dem Schauen der Serie – denke ich mir, dass ich ein paar Dinge besser verstanden habe, wo ich zumindest die Grisha-Trilogie gehört bzw. gelesen habe (Die Krähen kommen jetzt hinterher dran, mit Band 1 bin ich gerade gestern fertig geworden). Das ist sehr, sehr schade, in der Serie fällt leider einiges unter den Tisch, denke ich, was zum Verständnis verschiedener Dinge notwendig wäre (beispielsweise was es mit den verschiedenen Kefta-Farben auf sich hat).

    In einem Making-of haben sie gesagt, dass nur ein bestimmtes Budget da war, und sie dann entscheiden mussten, ob sie mit dem Geld acht oder zehn Folgen machen wollen. Sie haben sich dann für acht Folgen entscheiden, damit für jede einzelne Folge mehr Geld da ist. So gesehen kann man nur drum beten, dass sich viele Leute diese erste Staffel anschauen, damit Netflix für eine nächste Staffel vielleicht mehr Geld herausrückt. War ja bei „Game of Thrones“ auch nicht viel anders …

    Ich war ja anfangs ziemlich skeptisch, ob mich die Serie begeistern würde können, weil das meiste, was in letzter Zeit im Fantasy-Bereich von Netflix produziert wurde, eher durchschnittlich war. Da war ich dann selbst überrascht, wie gut ihnen dafür diese acht Folgen gelungen sind. In Summe hatte ich den Eindruck, dass gerade Alina sehr davon profitiert hat – und damit die Serie insgesamt erwachsener rüberkommt als zB die Grisha-Trilogie. Ich finde auch die Idee, den Darkling mit einem schon etwas älteren Schauspieler zu besetzen, gelungen. Das fühlte sich einfach stimmiger an, vor allem wenn man weiß, wie alt der Darkling wirklich ist. Ich glaube, in dem Kontext hat mir wohl die siebte Folge am besten gefallen, diesen Rückblick gab es ja in den Büchern in dieser Form nicht.

    Wirst du die Serie weiterschauen, wenn die zweite Staffel kommt?

    Liebe Grüße
    Ascari

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