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Popkultur unter der Lupe

5 Buchschätze von Austen bis Tartt

In der „Buchschätze“-Reihe von Leuchtturmwärterin stellen verschiedene BloggerInnen ihre literarischen Favoriten vor. Im März durfte ich von fünf Romanen erzählen, die mir wichtig sind, vielen Dank noch mal dafür! Es ist eine bunte Auswahl an Titeln zusammen gekommen, die ich aus ganz unterschiedlichen Gründen schätze. Seien es erzählerische Vorzüge wie eine tolle Figurenzeichnung oder ein gesellschaftskritischer Anspruch. Vier der fünf vorgestellten Romane stammen übrigens von Autorinnen. 😉

the secret history coverThe Secret History von Donna Tartt

Dieses Buch ist nicht nur eine Lieblingslektüre von mir, sondern auch ein wertvoller Erinnerungsschatz für mich. Ich habe es, seitdem ich 16 bin, bestimmt sechs, sieben Mal gelesen, auf Deutsch und auf Englisch, und bin damit praktisch erwachsen geworden. Worum geht’s? Es ist die Geschichte eines unsicheren Ich-Erzählers (er erinnert ein bisschen an Nick Carraway aus The Great Gatsby), der sich mit einer Gruppe exzentrischer, reicher Kommilitonen anfreundet und sich bald eingestehen muss, dass unter der glatten Oberfläche tiefe Abgründe lauern. Das Tolle an dem Buch ist, dass es sich keinem Genre einfügt: Es ist ein Krimi, bei dem die Täter von vorne herein klar sind, es ist eine Coming-of-Age-Geschichte, es ist ein College-Roman, und eine Geschichte über Schuld, Trauma und Verantwortung. Obwohl Atmosphäre und Figurenzeichnung klar im Vordergrund stehen, entwickelt der Erzählstil seinen ganz eigenen Spannungssog. Miss Tartts Figuren vergisst man einfach nicht mehr, sie sind so unverwechselbar, fein und psychologisch treffend gezeichnet. Es ist vor allem ein sehr schönes, sehr melancholisches und gleichzeitig sehr witziges Buch. Über die sarkastischen Dialoge kann ich immer wieder lachen.

hunger games coverDie Hunger-Games-Reihe von Suzanne Collins

Kaum zu glauben, ich fand die Hunger-Games-Reihe beim ersten Lesen vor ca. zehn Jahren nur so lala und habe nach dem zweiten Teil abgebrochen, weil ich das Ende irgendwie nicht fesselnd genug fand?! Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat. Seitdem ich um 2014/2015 herum einen Reread startete, lese ich die Reihe in regelmäßigen Abständen immer wieder. Der Grund: die Figurenzeichnung ist einfach so gut! Protagonistin Katniss ist „Heldin wider Willen“, und diese Prämisse wird auch so durchgezogen, Katniss ist nicht „über Nacht“ plötzlich ein Tausendsassa und schafft alles. Sie hat realistische Schwächen. Bei meinem letzten Reread hat mir auch die realistische Darstellung von zwischenmenschlichen Beziehungen besonders gut gefallen. Ja, die Reihe hat im Zuge des Liebesdreieck-Plots auch mal ein paar kitschige Stellen. Aber Katniss‘ schwankende, oft irrationale Haltung gegenüber den beiden Männern in ihrem Leben ist immer glaubhaft dargestellt und folgt keinem vom YA-Genre festgelegten Muster. Im Übrigen ist das „Happy End“ auch eines mit bitterem Nachgeschmack. Bravo!

persuasion coverPersuasion von Jane Austen

Persuasion (der letzte, postum veröffentliche Roman von Austen) habe ich erst vor zwei Jahren zum ersten Mal gelesen und halte es seither für das beste und feministischste Buch der Autorin (lest dazu auch meinen Artikel „Warum ich Jane Austen jeder Feministin empfehle„). Im Gegensatz zu den anderen Romanen von Austen steht hier nicht eine junge Frau im Mittelpunkt, der (im damaligen Rahmen) noch „alle Türen offen stehen“ – nein, hier ist eine Frau Ende zwanzig die Heldin, die schon alle Chancen verpasst hat. Eine unvorteilhafte Ehe wurde ihr mit 18 ausgeredet (deshalb der Titel), eine Tatsache, die sie bis heute bereut. Sie hat ihr persönliches Glück den Konventionen und ihrer Familie geopfert und gilt jetzt als „alte Jungfer“. So geht es im ganzen Buch um diese melancholische Reue über verpasste Chancen, aber auch, wie Anne Elliot ganz ohne Selbstmitleid ihr eintöniges Leben meistert, das einzige Leben, das die Gesellschaft ihr zugesteht (aber keine Sorge: es gibt ein Happy End!). An manchen Stellen wird sogar richtig Kritik an der gesellschaftlichen Doppelmoral laut, die einem Mann erlaubt, seinen persönlichen Wünschen zu folgen, von einer Frau aber erwartet, immer passiv und demütig zu sein.

deutsches haus coverDeutsches Haus von Annette Hess

Das ist das aktuellste Buch, das ich hier nenne. Ich verbinde damit keine nostalgischen Erinnerungen wie z.B. mit The Secret History. Aber Deutsches Haus ist der erste Roman, von dem ich mich unmittelbar betroffen fühle. Ich sehe erst jetzt den Unterschied, eine Geschichte zu lesen, die irgendwo im englischsprachigen Raum spielt (wie das meiste, was die Popkultur heute ausmacht), oder ob ich einen Roman lese, der komplett meine eigene Kultur, meine Sprache, meine Geschichte spiegelt. So müssen sich Amerikaner immer fühlen und ich finde es ein bisschen beunruhigend. Darum geht’s: Die junge Protagonistin Eva lebt in Frankfurt Anfang der 60er Jahre, arbeitet als Dolmetscherin und soll in den heute berühmten Auschwitz-Prozessen gegen die Hauptverantwortlichen des Massenmords an jüdischen Gefangenen übersetzen. Aber weder Eva, noch irgendjemand anderes in ihrem Umfeld, hat jemals etwas von Auschwitz gehört (oder gibt das zumindest vor). Ihre kleine, sichere, bürgerliche Welt kollidiert ganz unvorhergesehen mit der Realität der grauenhaften deutschen Kriegsgeschichte. Deutsches Haus ist so ein wichtiges Buch, weil es einerseits die „heile bürgerliche Welt“ der Nachkriegszeit schildert (viele Details kenne ich von meiner eigenen Familie), von der wir, ehrlich gesagt, heute gar nicht so weit entfernt sind. Wir sind immer noch gut im Verdrängen und Herunterspielen von gesellschaftlichen Missständen. Der Roman erinnert uns außerdem an das völlig banale, alltägliche Gesicht, das das absolut Böse haben kann. Eine wichtige Erinnerung, gerade in der heutigen politischen Lage.

lolita coverLolita von Vladimir Nabokov

Noch ein Klassiker – und eigentlich gehört der nicht hierher, weil ich diesen Roman erst einmal gelesen habe und ihn wohl auch nicht noch einmal lesen werde. Warum, wird gleich klar. In Lolita ist wohl der berühmteste Pädophile der Literaturgeschichte, Humbert Humbert, der Protagonist. Die Story spielt Ende der 40er Jahre. Er entführt seine 12-jährige Stieftochter, macht mit ihr einen Roadtrip durch die USA und lebt mit ihr fortan in einer Art „wilder Ehe“ – sprich, er vergewaltigt das Mädchen täglich. Das alles beschreibt er aber auf höchst poetische und verharmlosende Weise. Es ist trotzdem immer klar, was eigentlich passiert. Deshalb finde ich dieses Buch so wichtig: Es stellt das Böse in seiner ganzen Perfidität dar. Oft schafft es der Ich-Erzähler fast, uns Leser von seiner Unschuld zu überzeugen, Mitleid zu heischen. Die Lektüre von Lolita ist zutiefst verstörend, und vermag es trotzdem, ästhetisch in hohem Maße ansprechend zu sein. Ein sprachlicher Geniestreich. Ich halte Nabokov daher für einen der besten Schriftsteller und Sprachkünstler überhaupt (zumal Englisch nicht seine Muttersprache war!). Auch die deutsche Übersetzung lohnt sich.

Angefixt? Du willst noch mehr Lektüreempfehlungen? Weitere Lieblings-Romane stelle ich in der Challenge „Was liest du?“ vor.

2 Kommentare

  1. Isabell 4. Mai 2019

    Hey 🙂
    Ein sehr schöner Artikel und es ist immer spannend zu sehen, aus welchen Gründen jemand gewisse Bücher mag.
    Besonders Lolita scheint immer sehr kontovers zu sein. Zumindest habe ich im englischsprachigen Raums schon viele Leute gesehen, die nicht verstehen, wie man das Buch mögen kann. Ich persönlich mag die Geschichte auch ganz gerne. Ich kann dir bei Lolita in wirklich jedem Punkt zustimmen. Sprachlich gesehen ist das Buch ein wirkliches Meisterwerk.

    Die geheime Geschichte von Donna Tartt möchte ich auch noch unbedingt lesen. Ich hab gerade erst „Das verborgene Spiel“ von M.L. Rio gelesen, welches damit beworben wird, dass es perfekt für Fans von Tartts Die geheime Geschichte ist. Deswegen möchte ich auch unbedingt sehen, was an der empfehlung dran ist.

    Persuasion von Jane Austen möchte ich auch noch lesen. Von Jane Austen habe ich bisher nur Pride and Prejudice und Lady Susan, The Watsons, Sanditon gelesen. Hier sind mir schon ihr toller Schreibstil und ihre tollen Charaktere aufgefallen, sodass ich noch die restlichen Bücher von Jane Austen lesen möchte.

    Liebe Grüße
    Isabell

    Antworten
    1. Sabine 5. Mai 2019

      Hi Isabell,
      vielen Dank fürs Lob!
      Ja gut, was heißt „mögen“ :-)) Das verstehen Leute oft nicht. Es ist eine Sache, einen Unterhaltungskrimi zu mögen und eine andere, sich mit wirklich gut geschriebener und thematisch auch irgendwie bedeutungsvoller Literatur auseinanderzusetzen. Natürlich ist Humbert Humbert aus „Lolita“ unerträglich. Das macht den Roman halt nicht unwichtig. Total interessant finde ich auch, wie vor allem männliche Leser die ganze Vergewaltigungsthematik nicht so schlimm sehen, so nach dem Motto, der arme Mann wurde halt schon auch verführt, während vor allem Frauen besser sehen können, wie Humbert alles tut, um sich vor dem Leser „herauszureden“. Das zeigt doch, wie vielschichtig hier erzählt wird!
      oooh ja lies die Geheime Geschichte unbedingt! Ich empfehle es auf Englisch, die deutsche Übersetzung ist gekürzt (und ich empfehle sowieso immer das Original, hihi).
      Cool, dann muss ich mir „Das verborgene Spiel“ auch mal anschauen.
      Bis bald und danke für deinen Kommentar!

      Antworten

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