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6 Weihnachtskrimis von Autorinnen

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich gehöre zu den Menschen, für die Weihnachten erst mit einem Krimi richtig gemütlich wird. Idealerweise ein Krimi mit eingeschneitem Setting und Mord unterm Tannenbaum. Warum funktioniert aber ausgerechnet dieses Genre in der Weihnachtszeit so gut? Ich versuche, diese Frage zu beantworten und gebe euch anschließend eine Liste meiner 6 liebsten Weihnachtskrimis der letzten Jahre mit. Viel Spaß beim Stöbern!

Weihnachtskrimis

Warum Krimis so gut in der Adventszeit unterhalten? Die Antwort liegt klar in den Genrekonventionen des klassischen Whodunnits begründet, wie sie Agatha Christie & Co. berühmt gemacht haben. Auf Deutsch kann man „Whodunnit“ mit „Rätselkriminalroman“ übersetzen. Darin gibt es wenig plastisch beschriebene Gewalt, dafür aber ein Fallrätsel, meist einen Mord, der von der gewitzten Ermittlerfigur gelöst werden muss. Am Ende wird der Mörder immer gefasst. Es gibt also immer die Sicherheit, dass die durcheinandergebrachte Ordnung am Ende des Krimis wieder hergestellt wird. Das macht Whodunnits so „cozy“: Sie geben uns ein Gefühl von Sicherheit. Hercule Poirot und Miss Marple haben die Sache schon im Griff. Sie bringen die Bösewichte zur Strecke. 

So kommt es, dass Krimis so gut in der Weihnachtszeit unterhalten. Wir sehnen uns zum „Fest der Liebe“ nach Sicherheit und Gemütlichkeit – gerade in gesellschaftlich unsicheren Zeiten. Nichts stellt dieses Gefühl besser her als ein aufgelöster Mordfall. Und der Whodunnit tut es auf eine unblutige Weise. Der Mord wird als intellektuelles Rätsel behandelt, die menschliche Tragödie dahinter findet eher am Rande statt.

Zusätzlich bereitet gerade ein weihnachtliches Setting einen guten Kontrast zur Krimihandlung. Wenn sich im Plot eine Familie auf einem festlich geschmückten Landhaus versammelt und dann am Heiligabend plötzlich eine Leiche unterm Tannenbaum liegt, so ist die Erleichterung am Ende noch größer, wenn alle Figuren am Ende zum gemütlichen Weihnachtsdinner zurückkehren können. Der Detektiv hat quasi Weihnachten gerettet.

Das „goldene Zeitalter“ der Krimis und Weihnachtskrimis von Autorinnen

Während des „Golden Age of Crime“, also in Großbritannien in den 1920er und 30er Jahren, taten sich vor allem Autorinnen in dem Genre hervor und entwickelten es weiter. Zum Beispiel Agatha Christie, Dorothy L. Sayers, Margery Allingham und weitere. Schon damals waren Weihnachtskrimis beliebt und wurden z.T. auch aktiv von den Verlagen beauftragt. Daher ist das „Weihnachtskrimigenre“ zum überwiegenden Teil englischsprachig (mit zahlreichen Übersetzungen ins Deutsche, natürlich!) und oft auch von Frauen bestimmt. Diese Steilvorlage musste ich aufgreifen. Hier kommen meine 6 Weihnachtskrimi-Favoriten von Autorinnen!

Agatha Christie: Das Geheimnis des Weihnachtspuddings und Eine Weihnachtstragödie

Ein traditionelles englisches Weihnachtsfest will Hercule Poirot erleben – das ist freilich nur ein Vorwand. Denn in der Agatha-Christie-Geschichte Das Geheimnis des Weihnachtspuddings schleicht sich der belgische Meisterdetektiv auf einem alten Landsitz ein, um einem gestohlenen Rubin auf die Spur zu kommen. Der Zusammenhang zwischen dem Juwelendiebstahl und der Familie Lacey, bei der Poirot undercover ermittelt, wird aber erst im Laufe der Geschichte deutlich, was für zusätzlichen Rätselspaß sorgt. Bis zur Auflösung gibt es jede Menge cozy Weihnachtsszenen und Beschreibungen von leckerem Weihnachtsessen. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz. Denn die halbwüchsigen Enkel der Laceys wollen dem Detektiv einen Streich spielen, der dann doch ganz anders ausgeht als gedacht. Gemütlich und spannend – ein absoluter Klassiker des Weihnachtskrimis!

Düsterer geht es hingegen in der Geschichte Eine Weihnachtstragödie zu. Hier liefert sich Detektivin Miss Marple einen Wettlauf mit der Zeit. Bei einem weihnachtlichen Kuraufenthalt in Bath trifft Miss Marple einen anderen Gast, von dem sie sicher ist, dass er plant, seine Ehefrau beseitigen zu wollen, um die Lebensversicherung zu kassieren. Kann sie ihm das Handwerk legen, bevor es zu spät ist?

Die Geschichten gibt es z.B. im Sammelband Das Geheimnis des Weihnachtspuddings. Geschichten zum Fest vom Atlantik Verlag. Wer gerne im Original lesen möchte, greift zum Sammelband The Adventure of the Christmas Pudding – hier ist aber die Geschichte A Christmas Tragedy nicht enthalten. Die gibt es in der Sammlung Midwinter Murder.

Ada Moncrieff: Murder Most Festive

murder most festive

Dies ist ein vergnüglicher Weihnachtskrimi, der im Stil des „Golden Age“-Krimis geschrieben wurde, also eine stilistische Nachahmung von Christie & Co. Er ist 2020 erschienen. Es geht um die adelige Familie Westbury, die auf einem standesgemäßen Landsitz lebt und gemeinsam mit ein paar Freunden das Weihnachten des Jahres 1938 verbringen möchte. Der locker-leichte Erzählton und die schrägen Figuren täuschen nicht lange darüber hinweg, dass es hinter den Kulissen gewaltig brodelt. Der Familienfreund Freddie z.B. ist alkoholabhängig und scheint damit eine Menge persönlicher Probleme zu verdrängen. Der Sohn Edward ist Sozialreformer und hegt einen Groll gegen seine Upper-Class-Familie. Und die Tochter Lydia ist zwar unverheiratet, aber komplett abhängig vom Wohlwollen ihrer männlichen Verwandten, da sie natürlich über kein eigenes Einkommen verfügt. Diese Konflikte kulminieren in einer Mordaufklärung, als am Weihnachtsmorgen einer der Gäste erschossen aufgefunden wird.

Schön fand ich hier, dass sich der Roman zwar stilistisch und thematisch an Agatha Christie orientiert, aber viel mehr Sozialkritik einbringt als es bei der Queen of Crime noch möglich war. So thematisiert er z.B. die Blindheit der englischen Upper Class gegenüber dem sozialen Unrecht der Zeit. Lydias Figur bringt einen feministischen Unterton in die Handlung mit ein.

Weihnachtsstimmung gibt’s vor allem über die winterliche Atmosphäre und das altbekannte Weihnachts-Motiv einer Familie, die sich notgedrungen über die Festtage zusammenraufen muss, die Konflikte aber natürlich trotzdem zum Vorschein kommen.

Murder Most Festive gibt es meines Wissens derzeit nur auf Englisch im Vintage-Verlag.

Anne Perry: Der Weihnachtsbesuch

Anne Perry: Der WeihnachtsbesuchDiese Weihnachts-Novelle hat mir sehr viel Freude bereitet, weil sie sehr atmosphärisch geschrieben ist. Wir befinden uns Mitte des 19. Jahrhunderts. Henry Rathbone fährt kurz vor Weihnachten von London ins verschneite Lake District. Dort wohnt seine Patentochter Antonia auf einem entlegenen Landsitz. Sie hat ihn um Hilfe gebeten, den rätselhaften Todesfall ihres Mannes aufzuklären. Er ist angeblich bei einem Unfall ums Leben gekommen. Henry will daran aber nicht so richtig glauben. Die entrückte Stimmung inmitten der verschneiten Winterlandschaft hat Anne Perry sehr gut getroffen. Zusätzlich muss alles natürlich noch mit der Pferdekutsche erledigt werden. Das verlangsamt die Handlung noch etwas mehr, wodurch die genauen Figurenstudien in der Fallgeschichte in den Vordergrund rücken. Anne Perry baut die verschiedenen Charaktere sehr sorgfältig psychologisch auf. Zum Beispiel stehen die Brüder des Verstorbenen unter Mordverdacht. Zusätzlich geht es um eine verzwickte Erbangelegenheit, die Einfluss hat auf das Mordmotiv des Hauptverdächtigen. Es gibt überraschende Wendungen, trotzdem fand ich das Ende ein wenig unbefriedigend. Das nur als kleine Warnung – bildet euch aber gern eine eigene Meinung.

Anne Perry hat über zehn Weihnachtsnovellen geschrieben, bei denen sie die Nebenfiguren ihrer Krimireihen rund um Inspector Pitt und Privatdetektiv Monk ermitteln lässt. Der Detektiv aus Der Weihnachtsbesuch, Henry Rathbone, stammt aus der Monk-Reihe.

Der Weihnachtsbesuch ist auf Deutsch bei Weltbild oder als Kindle-Ausgabe erhältlich, im englischen Original als The Christmas Visitor im Headline-Verlag.

Robin Stevens: Mord unterm Mistelzweig

Robin Stevens: Mord unterm Mistelzweig

Ein Ausflug ins Jugendbuch-Genre muss sein! Wobei Robin Stevens‘ gerade abgeschlossene Reihe „Murder Most Unladylike“ rund um die jugendlichen Detektivinnen Daisy Wells und Hazel Wong auch für erwachsene Leser*innen spannend ist. Die Kriminalfälle sind genauso komplex wie bei Christie & Co. Die Reihe spielt stilecht in den 1930er Jahren. Jeder Band behandelt einen abgeschlossenen Fall und kann auch einzeln gelesen werden.

Bei Mord unterm Mistelzweig verschlägt es die beiden Teenager-Mädchen ins verschneite Cambridge zur Weihnachtszeit. Sie treffen dort auf Daisys Bruder Bertie, der in Cambridge studiert. In seinem College passieren seit einiger Zeit seltsame „Unfälle“, die die beiden Detektivinnen sofort aufhorchen lassen. Dann geschieht ein Unfall mit Todesfolge und Daisy und Hazel beginnen sofort, zu ermitteln.

In Mord unterm Mistelzweig stimmt die Weihnachtsatmosphäre einfach perfekt. Die mittelalterliche, verschneite Kulisse von Cambridge weckt Erinnerungen an Hogsmeade aus dem Harry-Potter-Universum. Die Winterstimmung sorgt aber auch für einige gruselige Momente.

Das Besondere an diesem Fall der Reihe ist, dass die beiden Mädchen gegen ein konkurrierendes Detektiv-Duo antreten, nämlich die beiden „Junior Pinkertons“ Alexander und George, Brieffreunde der Mädchen, die sich in Cambridge mit Daisy und Hazel verabredet haben. Beide Duos versuchen, dem Mörder zuerst auf die Schliche zu kommen. So verbindet Mord unterm Mistelzweig die Genres des Kriminalromans und des Coming-of-Age-Romans perfekt. Selbstverständlich gibt es für Erzählerin Hazel einige peinliche Klippen des Erwachsenwerdens zu umschiffen. Gelungen fand ich auch die Anleihen an Sherlock Holmes und Doktor Watson, was die Figurendynamik der beiden Heldinnen angeht. Daisy kann als weiblicher Holmes manchmal richtig gefühllos sein, und Hazel als „treuer Watson“ muss lernen, damit umzugehen. Zusätzlich gibt es ein paar Anspielungen auf die gesellschaftlichen Konflikte der Zeit – z.B. auf die Diskriminierung von Frauen im Lehrbetrieb von Cambridge.

Mord unterm Mistelzweig gibt es in der deutschen Ausgabe bei Knesebeck oder im englischen Original als Mistletoe and Murder bei Puffin.

P.D. James: Der Mistelzweig-Mord. Weihnachtliche Kriminalgeschichten

P.D. James: Der Mistelzweig-Mord

Wie gut, dass ich P.D. James wiederentdeckt habe! Die berühmte Krimi-Autorin hat nämlich auch einige Weihnachtskrimis in Kurzgeschichtenform geschrieben. Sie sind vor ein paar Jahren in einem Sammelband erschienen.

Dabei ist die Titelgeschichte, Der Mistelzweig-Mord, der spannendste Fall in der Sammlung. Es geht um eine Erzählerin, die sich selbst als Krimi-Autorin vorstellt und auf einen Fall zurückblickt, den sie in den 40er Jahren selbst miterlebt haben will. (Meta-Ebene, ick hör dir trapsen!) Die Erzählerin ist gerade 18 Jahre alt, aber schon Kriegswitwe. Das Weihnachten 1940 verbringt sie bei ihrer Großmutter, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt hatte. In der Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag wird ein unsympathischer Gast ermordet – und die Erzählerin stellt mit Schrecken fest, dass als einzige Verdächtige ihre Großmutter und ihr Cousin in Frage kommen.

P.D. James erzählt diese Kriminalgeschichte sehr gekonnt a-chronologisch mit vielen Vorausdeutungen. Ich konnte gar nicht anders, als gebannt weiterlesen. Außerdem bietet der Zweite Weltkrieg einen sehr atmosphärischen Hintergrund für einen Kriminalfall. Das Landhaus, wo der Mord stattfindet, besitzt z.B. dicke Vorhänge zum Abdunkeln nach draußen, sodass die Dunkelheit in der Mordnacht eine ganz andere, gruselige Bedeutung bekommt – fürchtet man doch ständig einen Luftangriff des Feindes.

Auch die anderen Weihnachtskrimis aus der Sammlung sind lesenswert. Es geht z.B. um einen Cold Case, den Inspector Dalgliesh ermitteln muss, oder einen verdächtigen Selbstmord an Heiligabend, über den P.D. James‘ Detektiv zufällig stolpert.

Der Mistelzweig-Mord ist 2019 auf Deutsch bei Droemer erschienen. Im Original könnt ihr den Band als The Mistletoe Murder and Other Stories vom Verlag Faber and Faber lesen.

Das wars‘ von Ant1heldin für dieses Jahr! Habt ihr auch noch Vorschläge für Weihnachtskrimis? Sagt Bescheid, wie ihr meine Beispiele fandet.

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1 Kommentar

  1. Sabine 12. Dezember 2021

    Danke – tolle Zusammenstellung! Habe auch riesige Lust auf Mord unterm verschneiten Weihnachtsbaum und habe Agatha Christies „Midwinter Murder“ im Adventskalender gehabt. Freue mich schon riesig drauf und ggf packe ich noch das eine oder andere aus deinem Beitrag hier dazu, denn ein Mord reicht ja wahrscheinlich nicht für die ganze Weihnachtszeit 😉
    Liebe Grüße, Sabine

    Antworten

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