Starke Frauenstimmen hören [Werbung]
Hörbücher, das ist doch nur was für Kinder oder für Leute, die echt viel Zeit übrig haben. Wer hat schon Muße, sich einfach aufs Sofa zu legen und stundenlang zu hören? Genauso dachte ich früher auch. Das Tolle an Hörbüchern aber ist, dass sie ein intensives Eintauchen in den Text erlauben, das beim stillen Lesen vielleicht so nicht möglich ist. Ich stelle euch drei Sprecherinnen vor, mit denen ich am liebsten literarische Abenteuer erlebe.
Meine Rückkehr zu Hörbüchern über starke Frauenstimmen
In meiner Kindheit habe ich natürlich Hörspiele ohne Ende angehört (von Pumuckl über Bibi Blocksberg bis zu diversen Astrid-Lindgren-Vertonungen), habe diese Beschäftigung dann aber lange aufgegeben. Tatsächlich hat mich erst ein von Sophie Rois gelesenes Hörbuch in meiner Studienzeit wieder auf den Geschmack gebracht. Die seltsam spröde, halb kindliche Stimme der österreichischen Schauspielerin hat mir die romantische Geschichte der Jane Eyre vorgetragen. Ich konnte kaum wieder aufhören (dazu später mehr) – diese Lesung hat mir gezeigt, was mit der richtigen Stimme, die zur Atmosphäre des jeweiligen Textes passt, gelingen kann.
Anderes Erleben der Geschichte durch das Medium Hörbuch
Warum mich dieses Jane Eyre-Hörbuch so gefangen nahm, lag aber nicht nur am fantastischen Vortrag von Sophie Rois und an der mitreißenden Geschichte, ich glaube, es war auch das Medium an sich. Vielleicht fällt man als Hörer*in in einen kindlichen Gemütszustand zurück und erinnert sich an das Gefühl der Geborgenheit, als man noch vorgelesen bekam. Außerdem erfordert es einen höheren Grad der Konzentration, einer Stimme zu folgen, die einen Text vorträgt, als selbst zu lesen. Daher ist man zwangsläufig stärker gefangen vom Text und irgendwie „ausgeliefert“. Man muss sich dem Lesetempo der Stimme anpassen, darf nicht abschweifen, weil man sonst den Faden verliert. All das führt dazu, dass ich mich stark in Hörbüchern verlieren kann, manchmal sogar stärker als beim Selbst-Lesen. (Ein Zeichen dafür ist bei mir auch, dass ich schon x-mal bei einem Hörbuch geweint habe, beim stillen Lesen war das höchstens zwei, drei Mal der Fall, zum Beispiel, als Dumbledore gestorben ist. ?)
Nichtsdestotrotz liege auch ich nicht stundenlang auf der Couch und höre, ich benutze Hörbücher und Hörspiele viel mehr, um mir das Kochen, den Weg zu Arbeit, das Aufräumen, was auch immer zu versüßen. Wenn ich so richtig von einem Hörbuch gefesselt bin, höre ich aber auch nichtstuend weiter oder gehe auf dem Weg zu Arbeit gerne mal einen Umweg.
Starke Frauenstimmen in Hörbüchern
Seitdem ich Audible benutze, komme ich daher weniger zum stillen Lesen, ich möchte aber das Hörvergnügen nicht mehr missen. Besonders drei starke Frauenstimmen haben es mir angetan:
Starke Frauenstimmen Teil 1: Brigitte Trübenbach
Die Sprecherin Brigitte Trübenbach hat eine Besonderheit beim Vortrag: Sie spricht sehr sanft und ziemlich langsam, daran musste ich mich erst gewöhnen. Nach einer Weile kam ich aber darauf, dass das ihr Stilmittel ist: ein gezieltes Understatement, um sich später steigern zu können.
Leichte ironische Untertöne werden meist nur durch Betonungen von einzelnen Wörtern, durch ein Heben der Stimme und durch Pausen erzeugt. Sie ist perfekt geeignet für den Vortrag von Märchen, davon hat sie auch viele eingesprochen, und für Texte, die eine unaufgeregte Grundstimmung haben. Besonders gefallen hat mir von ihr das Hörbuch Casanovas Heimfahrt, eine Novelle von Arthur Schnitzler. Ich habe über diese Novelle (neben anderen Texten) damals meine Master-Arbeit geschrieben. Nach dem nochmaligen Hören bin ich noch mehr begeistert von Arthur Schnitzler. Er konnte psychologische Abgründe erkunden wie kein Zweiter. Es geht in der Erzählung um den gealterten Abenteurer Casanova, der einsehen muss, dass seine Zeit vorbei ist. Er befindet sich nach 25 Jahren Verbannung auf der Reise nach seiner Vaterstadt Venedig, nicht nur ein Nach-Hause-Kommen, sondern auch ein symbolisches Scheitern, weil er vor der totalitären Regierung zu Kreuze kriechen muss. Bei der Heimfahrt trifft Casanova auf alte Freunde und Affären, verliebt sich unglücklich und muss noch ein letztes Abenteuer bestehen.
Frau Trübenbachs Stimme passt perfekt zu der melancholischen Stimmung der Novelle. Mit ihrem ruhigen, beinahe resignierten Erzählton macht sie die Verbitterung Casanovas fühlbar. Bei den entscheidenden Stellen, wenn der Protagonist in Gedanken mit sich selbst streitet, macht sie alle niederen Gefühlslagen des verzweifelten Casanova hörbar: ihre Stimme grollt, zischt, verhöhnt sich selbst und andere, von denen sich Casanova ungerecht behandelt fühlt. Zärtlich gehütete Erinnerungen an sein früheres ruhmvolles Dasein werden hingegen in genau diesem Tonfall erzählt, wie mit einem leisen Lächeln auf den Lippen.
Starke Frauenstimmen Teil 2: Sophie Rois
Die österreichische Schauspielerin ist natürlich vor allem für ihre Theater- und Fernsehrollen bekannt. Ihr Markenzeichen ist ihre Exaltiertheit, die Hälfte der Zeit ist ihr Spiel, ihre Mimik einfach „over the top“. Besonders brilliert sie in Rollen, in denen sie eine Herrscherin (oder zumindest: eine Herrschsüchtige) spielen kann. Dazu passt ihre Stimme. Sie ist irgendwie spröde, zwar hoch, aber nicht süß-weiblich, eher die Stimme eines halbwüchsigen Knaben. Bei Hörbuch- oder Hörspiel-Produktionen (von denen sie in den letzten zwanzig Jahren sehr viele gemacht hat, zum Beispiel die Otherland-Reihe von Tad Williams) bringt sie vor allem Dynamik über das Laut- und Leise-Sprechen hinein. Mal flüstert sie, mal schreit sie sich die Seele aus dem Leib. Das passt sehr gut zu der oben erwähnten Aufnahme von Jane Eyre (von tief einsam über trotzig und stolz kann Sophie Rois allen Gefühlsregungen von Jane Eyre Leben einhauchen), sowie zu jeder fiktiven Figur, die unangepasst ist und aus der Reihe fällt.
Ich habe mir Erzählungen der amerikanischen Autorin Djuna Barnes von ihr angehört. Barnes war eine literarische Ikone der 1920er und 1930er Jahre und hat das Establishment mit ihrem modernistischen Stil sowie der Darstellung von Homo- und Bisexualität schockiert. Sophie Rois‘ Interpretation von Barnes‘ Geschichtensammlung Eine Nacht mit den Pferden versetzt, dazu passend, mal in eine leise-verzweifelte Stimmung (der Stallknecht in Eine Nacht mit den Pferden), mal in Wehmut über verpasste Chancen (die kranke Dame in Hinter dem Herzen), mal trieft sie vor Sarkasmus (Die Frau, die auf Reisen geht, um zu vergessen). Und zum Schluss legt Frau Rois richtig los, als die fiktive Sprecherin in dem Brief an Emily Coleman sich darüber aufregt, was diese sich alles von ihrem Mann gefallen lässt.
Starke Frauenstimmen Teil 3: Eva Mattes
Beim Thema Hörbuch kommt man an Frau Mattes nicht vorbei. Die bekannte Tatort-Darstellerin hat schon sehr vielen modernen und klassischen Texten ihre Stimme geliehen, von einer kompletten Jane-Austen-Reihe bis zur Neapolitanischen Saga von Elena Ferrante. Ihre Stimme ist warm und eher tief. Das Gute ist: Sie kann kühl oder auch betulich klingen, ohne zu dick aufzutragen.
Zum Inhalt von Stolz und Vorurteil muss ich wohl nichts mehr sagen – das komödiantische Talent von Jane Austen und ihre zum Teil karikaturhaften Figuren sind wohl hinlänglich bekannt. Eva Mattes versteht es, der albernen Mrs. Bennet ganz mühelos das richtige „altfrauliche“ Timbre zu verpassen und klingt dabei nicht lächerlich. Manche Sprecherinnen und Sprecher übertreiben es ja dabei, ihren Figuren verschiedene Stimmen zu verleihen – bei Eva Mattes ist diese Stimmenvariation schön sparsam und doch effektiv eingesetzt. Wie sie der Figur des arroganten Mr. Darcy einen trockenen Sarkasmus in den Mund legt – toll! Ich persönlich mag ihre Stimme besonders zu historischen Texten, also Lesungen von Klassikern wie Jane Austen, Wer die Nachtigall stört von Harper Lee oder Sturmhöhe von Emily Brontë.
Hört ihr gerne Hörbücher oder Hörspiele? Habt ihr Lieblingssprecher*innen?
THALBACH, du hast Katharina Thalbach vergessen – unbedingt hören, sie ist wundervoll *-*
Deine vorgestellten Frauen habe ich glaube ich noch nicht gelauscht, mal sehen ob sich dies mal ändert!
Liebe Grüße,
Janna
Stimmt, ich glaube, ich hab sie auch schon mal gehört. 🙂
Mach das unbedingt!