LOADING

Type to search

Kolumnen Kritisch schreiben

Interview mit „Gedankenfunken“: Übers Lesen, Bloggen und kritische Rezensionen-Schreiben

Elena von „Gedankenfunken“ hat mich gebeten, an ihrer Interviewreihe „Nachgefragt bei …“ teilzunehmen, in der sie andere Buchblogger nach ihrem literarischen „Background“ und ihrem Lese- und Blogverhalten befragt. Klar habe ich ja gesagt und hatte viel Spaß beim Beantworten der Fragen – zum Beispiel, welchen Rat ich Buchblogger-Neulingen geben würde (er hat was mit Marketing zu tun) und welcher Roman endlich mal verfilmt werden sollte (es gibt schon einen Film davon aus dem Jahr 1939 – der dem Buch aber auf keinem Fall gerecht wird). Aber lest selbst.

Wie würdest du dich selbst in drei Sätzen beschreiben?

Ich bin total begeisterungsfähig, was gute Geschichten angeht, aber schnell abgetörnt von Klischees. Ich bin manchmal zu selbstkritisch. Ich bin sehr loyal meinen Freunden gegenüber und bin gerne für sie da.

Wie kamst du auf die Idee, über Bücher zu bloggen?

Ich habe Literaturwissenschaft (Komparatistik) studiert und mir ist nach ein paar Jahren Berufsleben aufgefallen, wie sehr mir das Analysieren von Literatur fehlte. Jetzt ist der Blog mein kreativer Wochenend-Ausgleich.

Beeinflusst dein Komparatistik-Studium dich beim Lesen und Bloggen?

Total! Im Studium wurden wir angehalten, wenn möglich alles im Original zu lesen. Daher tue ich mir bei deutschen Übersetzungen (von englischer Literatur, mein Französisch ist inzwischen eingerostet) oft schwer, das ist, wie wenn man keine Synchronisierung von Filmen mehr gewohnt ist, es fühlt sich oft künstlich an. Bei guten Übersetzungen natürlich nicht. Außerdem bin ich sehr wählerisch und kann reine „Unterhaltungsromane“, die dann doch oft Klischees bedienen, nicht mehr lesen. Es gibt natürlich Ausnahmen. Meine Vorliebe für Klassiker kommt auch von meinem Studium, ganz besonders für die Literatur der Décadence (spätes 19. Jahrhundert, Anfang 20. Jhdt.). So wähle ich dann auch meine Blogthemen aus. Ach und: Gerade die nicht stattfindende Diskussion in meinem Studium über konservative Frauenbilder in der Literatur hat mich dazu angeregt, einen Blog über interessante Frauenfiguren zu führen.

Sabine Blog Ant1heldin

Wie viel Zeit wendest du ungefähr die Woche zum Bloggen auf?

Das hängt von meiner Motivation ab und davon, wie anstrengend gerade mein Berufsleben und wie voll mein Privatleben ist. Durch die Blogaktion #bakerstreetblogs ist es gerade sehr viel, ca. 12 Stunden die Woche, weil ich ja eigentlich zwei Blogs führe – einen über Sherlock Holmes und einen über Frauenfiguren, haha!

Was war dein schönstes Erlebnis mit deinem Blog?

Außer natürlich der totalen Versenkung in eine Thema, das mich begeistert – schöne Rückmeldungen! Mir hat z.B. vor ein paar Wochen eine Dozentin eine Mail geschrieben, dass sie gerne meinen Artikel zum kritischen Rezensionen-Schreiben mit ihren Studenten durchnehmen würde. Das freut und ehrt mich total. Außerdem gab es einen Kommentar auf meinem Blog, wo eine Frau schrieb, meine Artikel hätten eine „Gedankenexplosion“ in ihr ausgelöst und sie hätte jetzt neue Ideen für ihre Dissertation. Genau dafür bloggt man!

Wie hat sich die Buchbloggerwelt im Laufe der Zeit verändert?

Ich blogge erst seit zwei Jahren, kann deshalb nicht so viel dazu sagen. Die #metoo-Debatte ist natürlich in der Buchblogwelt als auch in der Welt der Publikumsverlage sehr wichtig geworden, was mich freut. Immer mehr Blogger*innen schreiben über Genderproblematiken, marginalisierte sexuelle Orientierungen und über Rollenklischees.

Hast du eine Lieblingsbücherseite (Buchhomepage, Büchermagazin, etc.) im Netz?

Ich vertraue da auf meine Lieblingsblogger*innen wie fiktion fetzt, ansonsten lese ich ab und zu Rezensionen im klassischen Feuilleton. Die Rezensionen von Iris Radisch (ZEIT) mag ich sehr gerne.

Was macht für dich eine gute Rezension aus?

Sie geht über den persönlichen Eindruck hinaus und versucht, sich kritisch mit dem Buch auseinander zu setzen. Die eigene Meinung reicht nicht, man muss sie auch am Text begründen können. Zu viel „Da konnte ich mich gar nicht hineinversetzen, deshalb fand ich das Buch schlecht“ stört mich auch.

Wie hältst du es mit Rezensionsexemplaren in deinem Blog?

Klar nehme ich welche an, wenn sie zu meinem Blog passen. Aber ehrlich gesagt ist mir das manchmal zu viel Druck. Ich lese lieber dann ein Buch, wenn der Hype schon abgeflaut ist, und veröffentliche die Rezension in meinem Tempo, wenn ich wirklich was dazu sagen kann. Oder ich lese gleich ungehypte Bücher bzw. keine Neuerscheinungen. Die allermeisten besprochenen Bücher auf meinem Blog habe ich mir selbst gekauft.

Wenn dich ein Litblogneuling nach einem Tipp fragen würde, welchen würdest du ihm geben?

Finde deinen USP! (Unique Selling Point) Das hört sich jetzt sehr marketingmäßig an. Aber es macht doch viel mehr Spaß, zu bloggen, wenn du nicht jede Woche die gleichen Neuerscheinungen rezensierst, die alle rezensieren. Spezialisiere dich auf ein Genre, lies nur Klassiker oder erfinde eine neue Art, Bücher zu besprechen – vielleicht in Dialogform? Dann erinnern sich die Leser an deinen Blog, und das genau möchte man doch.

Was hat deine Leseleidenschaft geweckt?

Astrid Lindgren sowie die Der kleine Vampir-Romane haben da ganz viel dazu beigetragen!

Dein absolutes Lieblings-„Genre“ ist der Coming-of-Age-Roman – gab es da ein Schlüsselerlebnis oder „warst“ du schon immer so? 

 Entwicklungsgeschichten faszinieren mich schon immer, aber das Schlüsselerlebnis war wohl die Lektüre von The Secret History von Donna Tartt, als ich 16 war. Da geht es um tiefe Freundschaft, Loyalität, das Erwachsenwerden und wie weh es tun kann, der eigenen „verlorenen Unschuld“ hinterher zu trauern. Im Sinne von: So unbeschwert und unbescholten werde ich nie mehr sein.

Was macht eine gute Coming-of-Age-Geschichte aus?

Sie weicht vom stereotypen Schema des Vater-Sohn-Konflikts ab, hat auch mal eine weibliche Mentorenfigur und einfach glaubwürdig gezeichnete Figuren.

In welches Buch würdest du gern einmal hineinklettern, wenn du könntest – außer Harry Potter?

Tatsächlich The Secret History – die Geschichte spielt an einem idyllischen Privatcollege an der Ostküste der USA, komplett mit „indian summer“, und die Figuren sind einfach so exzentrisch und liebenswert. Ich würde sie alle gerne kennen lernen – und ihnen vielleicht auch den Kopf waschen, haha.

Gibt es ein Genre, welches dir absolut nicht zusagt?

Ich bin zu ängstlich für klassischen Horror à la Stephen King und habe auch die Befürchtung, dass da ganz viel mit Klischees um sich geworfen wird. Das kann aber auch ein Vorurteil von mir sein, an Horror hab ich tatsächlich nur Carrie gelesen. Allgemein lese ich auch nicht gerne Romane, die im Dritten Reich spielen. Die Epoche interessiert mich nicht mehr, weil sie bei mir in der Schule so exzessiv behandelt wurde.

Wonach wählst du deine Bücher aus?

Ganz klar daran, ob es eine interessante Frauenfigur gibt. Das Genre ist meistens egal.

Wie würdest du deinen SuB charakterisieren? War er schon immer so groß? Gibt es ein Prinzip dahinter?

Ich hatte schon einen SuB, als ich noch nicht gebloggt habe – einfach, weil ich durch mein Studium den Anspruch hatte, jeden wichtigen Klassiker der Weltliteratur zu lesen (naiv, ich weiß). Ich versuche, die Bücher zuerst zu lesen, die schon am längsten ausstehen, das klappt natürlich nicht immer.

Wie groß ist deine Wunschliste?

So 50 Bücher werden da schon drauf stehen, eine genaue Zahl kann ich allerdings nicht nennen.

Gibt es Autoren, die du nie wieder freiwillig lesen würdest – und warum?

Haha, gute Frage! Da fällt mir zum einen ein Klassiker aus der französischen Literatur ein, Céline. Ich musste einmal sein berühmtestes Werk, „Reise ans Ende der Nacht“, lesen. Er schreibt furchtbar frauenverachtend und in einer schrecklichen Fäkalsprache. Super anstrengend! Camus gehört auch dazu, genauso anstrengend, weil komplett emotionsloser Stil.

Magst du Buchverfilmungen? Wenn ja, welches Buch sollte unbedingt verfilmt werden? Oder eben grade nicht?

Oh, auf diese Frage habe ich gewartet! Ich bin nämlich der Meinung, Netflix sollte eine Serie über Gone with the Wind machen. Der Filmklassiker von 1939 wird dem Buch einfach nicht gerecht, wie auch, das ist ein Wälzer von 1500 Seiten. Wenn man den Stoff wirklich kritisch verarbeiten würde, wäre das ein Traum! Klar, und allgemein mag ich Literaturverfilmungen, ich versuche nur, zuerst das Buch zu lesen, weil ich sonst die Bilder aus dem Film nicht mehr aus dem Kopf bekomme. Nur bei Donna Tartt reagiere ich empfindlich. Ihre Bücher sind zu gut und zu vielschichtig, als dass eine Verfilmung ihnen gerecht werden könnte. Ihr letzter Roman The Goldfinch wird gerade verfilmt – das werde ich mir aber nicht ansehen. Geht nicht!

Wie stehst du zu E-Books?

Finde ich total praktisch. Ich lese sie derzeit noch nicht, kann mir aber vorstellen, mir einen E-Reader zu holen. Meine absoluten Lieblinge stelle ich mir aber dann doch gerne ins Regal.

Wie viele Stunden liest du die Woche?

Gar nicht so viel, weil ich wie gesagt so wählerisch bin und es ja auch leider noch so viele spannende Serien zum Streamen gibt (sowie ein Privatleben, das bedient werden will!) Es sind vielleicht 5 Stunden die Woche.

Tags:

Das gefällt dir vielleicht auch

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published. Required fields are marked *

* Ich stimme der Datenschutzerklärung zu.