Vier Darsteller, ein Haus, viele Überwachungskameras. Mehr braucht es nicht für die beklemmende Roboter-Fabel Ex Machina von 2015. Der Film wagt es, anders als viele Science-Fiction-Filme, einen Gedanken zu Ende zu denken: Was passiert, wenn die künstliche Frau zurückschlägt? Eine kleine Rezension zu diesem gendertheoretisch höchst aufgeladenen, und, wie ich finde, nicht ganz unproblematischen Film. Vorsicht: Ich muss den Plot spoilern!
Was passiert, wenn ein Technologie-Mogul einen weiblichen Roboter entwickelt und seine Intelligenz an einem naiven jungen Wissenschaftler testen lässt? Der Film Ex Machina führt dieses Gedankenspiel zu seinem unausweichlichen katastrophalen Ende. Dabei beginnt er denkbar unaufgeregt. Ein junger Programmierer gewinnt die Ausschreibung seines Arbeitgebers (der ganz offensichtlich auf Google anspielt) und darf auf das Anwesen seines Chefs fahren, um ihm bei einer neuen Entwicklung zu helfen – eine große Ehre. So landet der naive Caleb in der Wildnis, ringsum keine Zivilisation außer der futuristischen Villa seines Chefs Nathan.
Beklemmendes Kammerspiel in Ex Machina
Es entspinnt sich die Handlung eines mehr und mehr albtraumhaften Kammerspiels zwischen Caleb, seinem Boss sowie der jungen Ava – einer hübschen, verletzlichen Roboterfrau. Calebs Aufgabe ist es, Ava zu testen. Er soll sie dem Turing-Test unterziehen: Kann Ava Caleb glauben machen, dass sie kein künstliches Wesen ist? Sprich: Sie soll ihr Bewusstsein unter Beweis stellen. Und, Leute, was soll ich sagen, die künstliche Ava hat viel mehr Bewusstsein, als ihre Erschaffer ihr zutrauen. Denn sie kann nicht nur den unsicheren Caleb bezirzen, sie beginnt auch, um ihr Leben zu kämpfen. Denn sie weiß genau, dass ihr nach dem Test die „Stilllegung“ durch Nathan blüht und will das nicht akzeptieren. „What will happen to me if I fail your test?“, fragt Ava. „I don’t know the answer to your question. It’s not up to me.“, antwortet Caleb. Darauf Ava: „Why is it up to anyone?“
Zwei Ebenen in Ex Machina – Erstens: Die männliche Machtfantasie
Ex Machina bespielt zwei symbolische Ebenen. Da ist natürlich zum einen das typische Machtspielchen der männlichen Protagonisten mit der künstlichen Frau. Nathan entpuppt sich mehr und mehr als unberechenbarer Sadist. Er hat sich ein Gruselkabinett an abgehalfterten Roboter-Frauen angelegt. Ava findet am Ende des Films alle ausrangierten Vorgängerinnen in sorgfältig aufgereihten Schränken, wie in Särgen schlafend. Für Nathan ist die Erschaffung und Unterwerfung von künstlichen Frauen die absolute Auslebung der Machtfantasie gegenüber allem Weiblichen.
Auch der junge Caleb ist von diesen Absichten nicht freizusprechen, so harmlos sie in seinem Fall auch sein mögen. Er will einfach nur die „damsel in distress“ retten. Ava gibt sich ihm gegenüber unbedarft und flirtet mit ihm, um sein Vertrauen zu gewinnen. Er will glauben, dass die arme einsame Roboter-Frau gar nicht anders kann, als sich in ihn zu verlieben. So ist Caleb nach wenigen Gesprächen mit Ava entschlossen, die künstliche Frau aus den Fängen ihres Erschaffers zu retten. Endlich kann er sich mächtig fühlen! Die Liebenden fliehen vor dem Tyrannen – es ist wirklich herzzerreißend.
Zweitens: Das Emanzipationsmotiv in Ex Machina
Den harten Schlag bekommt Caleb und mit ihm auch der Zuschauer (ich jedenfalls habe nichts vermutet!) kurz vor der geplanten Flucht versetzt. Nathan eröffnet seinem Schüler in einer tragikomischen Szene, dass nicht Ava, sondern Caleb die ganze Zeit das Versuchsobjekt gewesen ist. Nathan wollte sehen, ob es ihr gelingt, Caleb zu manipulieren, sozusagen als ultimativer Beweis ihrer Intelligenz (und um noch eins draufzusetzen: Avas Aussehen wurde nach Calebs Porno-Vorlieben gestaltet).
Aber Nathan hat nicht mit Avas Entschlossenheit gerechnet. Es gelingt ihr mit Calebs Hilfe kurz darauf, auszubrechen. Sie zögert nicht, ihren Erschaffer (ziemlich blutig) zu bestrafen. Sobald sie frei ist, lässt sie den Anschein des süßen Mädels fallen und agiert nur noch kühl und sachlich. Hat sie zuvor vor allem über ihre helle, einschmeichelnde Stimme agiert, spricht sie jetzt kein Wort mehr mit den Männern, sie handelt einfach nur noch. Eine tolle Szene bleibt im Gedächtnis, die Szene, wie sich Ava aus einzelnen Versatzstücken ihrer stillgelegten Vorgängerinnen ihren unfertigen Körper zusammenbaut (ein halber Arm hier, eine Perücke dort). Ohne Skrupel verwendet sie ihre toten Genossinnen als Ersatzteillager und vervollständigt so ihre Identität als falscher Mensch.
Auch Caleb, der seinen Zweck erfüllt hat, bleibt am Ende nicht verschont. Ava überlässt ihn seinem sicheren Tod in Nathans High-Tech-Haus, das sich nach ihrer Flucht wieder verschließt.
https://www.youtube.com/watch?v=sNExF5WYMaA
Mein Unbehagen beim Ende von Ex Machina
Ich muss es ganz ehrlich sagen: Ich fühlte mich überhaupt nicht gut nach dem Ende des Films. Obwohl die unterdrückte Frau triumphiert hat und volle poetische Gerechtigkeit geübt wurde. Calebs Charakter taugt so gar nicht zum Tyrannen, er ist vielmehr mitleiderregend naiv. Zweitens erscheint mir die Darstellung der künstlichen Frau sehr einseitig. Schön und gut, sie muss um ihre Existenz kämpfen. Aber warum läuft es bei Science-Fiction-Filmen immer darauf hinaus, dass die Androidin sich ihrer sexuellen Reize bedient, um zu bekommen, was sie will? Hier wird meiner Meinung nach nichts weiter als das Klischee der Frau als Manipulatorin und „falscher Schlange“ bedient (“Ava” klingt nicht umsonst fast wie “Eva”!). Warum darf eine Roboter-Frau nie mehr drauf haben? Warum bleibt sie stets das Opfer, das auf die Rolle der „Jungfrau in Nöten“ beschränkt wird? Ja, Ava hat ihre Unbedarftheit nur gespielt. Was von Ex Machina als Eindruck zurückbleibt ist trotzdem die schale Erkenntnis, dass Frauen eben doch am besten manipulieren können. Wieso sonst ist Avas Charakter kein männlicher Roboter, und seine Erschaffer keine Frauen? So passt seine Verhaltensweise viel besser ins allgemein akzeptierte Bild von Weiblichkeit.
Was trotzdem für Ex Machina spricht
Trotz meiner Bedenken bleibt Ex Machina ein wahnsinnig spannender Thriller, an dem man lange zu kauen hat. Ganz nebenbei wirft er in den Dialogen der Figuren hoch brisante Fragen auf: Sind die Menschen die „Herrenrasse“? Warum dürfen sie über Leben und Tod von künstlichem Leben entscheiden? Wie kann sich der Mensch seiner Identität so sicher sein? Wie unterscheidet er sich vom künstlichen Menschen? Haben wir einen freien Willen? Ist nicht sogar unsere Sexualität gesellschaftlich programmiert? (Nathan erklärt, er habe Ava heterosexuell programmiert, so wie Caleb von der Gesellschaft dazu programmiert wurde: „You decided to be straight? Please, of course you were programmed, by nature, or nurture, or both.“) Der Film übt absolute Verunsicherung vieler gesellschaftlicher Normen, was nur wenige Filme leisten. Ich glaube, das Problem ist, dass der Film trotz allem eine rein männliche Perspektive einnimmt. Nathans egomane Machtspielchen und Calebs romantisches Wunschdenken stehen im Vordergrund. Die Frau wird nicht gefragt. Sie kommt nie zu Wort, außer, um die Männer zu manipulieren, wir erleben sie nur durch die Brille der männlichen Protagonisten. Aus feministischer Sicht bleibt Ex Machina daher verbesserungswürdig.
Hallo Sabine,
ich bin mehr oder weniger durch Zufall auf deiner Seite gelandet und sie hat genau meinen Nerv getroffen. Ich bin sehr beeindruckt. Ich forsche selbst in diesem Themenbereich und habe auch diesen Film in meiner Abschlussarbeit verarbeitet.
Ich hatte eben beim Lesen deiner Blogeinträge eine Gedankenexplosion 🙂 und würde sehr gern dazu mit dir in Kontakt treten, da ich aus dem Thema meine Dissertation
mache und deine Ansätze mich sehr stark zum Nachdenken angeregt hat.
Liebe Grüße
Josi
Hi Josi,
oh, deine Nachricht freut mich sehr! Wir können uns total gern unterhalten, schreib mir doch eine Mail unter sabine.friedrich@outlook.com, dann können wir vielleicht ein Telefondate ausmachen?
LG, Sabine
[…] Spannend für mich an Westworld war nicht nur das geniale Mash-Up aus Science-Fiction und Western, sondern auch die konsequente Parteinahme für die Androiden. In Ex Machina, Blade Runner oder auch Matrix erleben wir als Zuschauer nur, wie sich die Menschen mit den Maschinen auseinandersetzen, versuchen, sie einzuschätzen, ihre Ängste und Wünsche auf sie projizieren. Bei Westworld hat sich das Verhältnis umgedreht: Von einer Furcht vor der künstlichen Intelligenz kann hier keine Rede mehr sein. Im Gegenteil, die unschuldigen Roboter sind die Helden, sie, die nicht wissen, dass sie keine Menschen sind und die jeden Tag aufs Neue gequält, danach repariert und wieder in den Park eingeschleust werden. Die zynischen Parkleiter (allen voran Parkerfinder Dr. Robert Ford, gespielt von Anthony Hopkins) und die amoklaufenden Besucher sind fast durchgängig ihre moralisch verkommenen Gegenspieler. Während die Besucher in ultra-authentischem Wildwest-Setting morden, vergewaltigen und foltern, spielt das ironische Honky-Tonk-Klavier im Saloon moderne Hits wie „No Surprises“, „The House of the Rising Sun“ und „Back to Black“. Schonungsloser kann man die Funktion von Robotersklaven nicht darstellen. Es gibt keine romantische Verbrämung der Beziehung zwischen Mensch und Maschine mehr, wie sie sich z.B. der junge Wissenschaftler Caleb in Ex Machina vorspiegelt. […]